Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzinsung unverzinslicher Darlehen. Unbeachtlichkeit einer vor dem Bilanzstichtag getroffenen Vereinbarung über eine erst nach dem Bilanzstichtag einsetzende Verzinsung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein zwar kurzfristig kündbares, jedoch auf eine längere Laufzeit angelegtes, unverzinsliches Darlehen ist abzuzinsen, wenn die Restlaufzeit des Darlehens zum Bilanzstichtag weder bestimmt noch auch nur annähernd bestimmbar ist.

2. Eine vor dem Bilanzstichtag wirksam getroffene Verzinsungsvereinbarung vermag keine Ausnahme von dem Abzinsungsgebot zu begründen, wenn die (unbedingte) Verzinslichkeit des Darlehens erst nach dem Bilanzstichtag einsetzt.

 

Normenkette

EStG § 6 Abs. 1 Nr. 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.09.2018; Aktenzeichen XI R 30/16)

 

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens werden der Klägerin auferlegt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Abzinsung von Darlehensverbindlichkeiten.

Die im Dezember 2009 gegründete Klägerin betreibt das Halten und Veräußern von Beteiligungen sowie die Vermögensverwaltung. Am 22. Januar sowie am 25. Februar 2010 erwarb sie im Rahmen einer Kapitalerhöhung Inhaberaktien an der B. AG in Höhe von insgesamt 750.000 EUR (entspricht 75 % des neuen Grundkapitals der B. AG) zum Nominalwert. Im Zusammenhang mit dem Erwerb der Aktien nahm die Klägerin bei ihrem Alleingesellschafter, Herrn C., Darlehen in Höhe von 750.000 EUR auf. Eine Laufzeit dieser Darlehen war nicht ausdrücklich vereinbart; die Darlehen waren jedoch jederzeit mit einer Frist von 30 Tagen kündbar. Die Klägerin beabsichtigte zunächst, die erworbenen Aktien bis Mitte des Jahres 2010 weiter zu veräußern und die Darlehen aus dem Veräußerungserlös zu tilgen.

Der Darlehensvertrag sah vor, dass die Darlehensforderungen ab dem Tage des Geldeingangs bis zur Rückzahlung mit 3 % p.a. „aus den erhaltenen Dividenden der [B. AG]” zu verzinsen seien; die Verzinsung falle nur an, wenn die B. AG Dividenden zahle. Eine garantierte Mindestverzinsung sei ausgeschlossen, ebenso die Kumulation der in einem Jahr nicht gezahlten Zinsen.

Zu der beabsichtigten kurzfristigen Weiterveräußerung der B. AG-Aktien kam es in der Folgezeit aufgrund einer nicht erwarteten negativen Entwicklung im Umfeld der B. AG nicht. Dem entsprechend kam es auch nicht zu der beabsichtigten Tilgung der Darlehen. Auch Dividendenzahlungen seitens der B. AG blieben zunächst aus. In ihrem Jahresabeschluss zum 31. Dezember 2010 passivierte die Klägerin die Darlehensverbindlichkeiten in voller Höhe. Der Beklagte veranlagte die Klägerin für 2010 zunächst mit Bescheiden vom 20. Februar 2012 erklärungsgemäß – auf der Grundlage eines Jahresfehlbetrags in Höhe von 366 EUR – zur Körperschaft- und Gewerbesteuer. Nach einer Überprüfung der Darlehensverträge gelangte der Beklagte zu der Auffassung, die bei der Klägerin passivierte Darlehensverbindlichkeit sei gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unter Annahme einer Darlehenslaufzeit von 12 Jahren mit einem Faktor von 0,503 um 372.750 EUR abzuzinsen. Das Jahresergebnis der Klägerin erhöhte sich dem entsprechend auf einen Jahresüberschuss von 372.384 EUR. Auf dieser Grundlage erließ der Beklagte am 2. Juli 2012 Änderungsbescheide zur Körperschaftsteuer sowie zum Gewerbesteuermessbetrag, gegen die die Klägerin am 12. Juli 2012 Einspruch erhob.

In ihrer Einspruchsbegründung vom 31. Juli 2012 machte die Klägerin geltend, die vereinbarten Darlehensbedingungen entsprächen dem Fremdvergleich; auch handele es sich der Natur nach um Darlehen mit einer Laufzeit von weniger als 12 Monaten. Bei Abschluss der Vereinbarungen seien die späteren außergewöhnlichen Einflüsse, die zu einer Verlängerung der beabsichtigten Laufzeit geführt hätten, nicht absehbar gewesen. Ergänzend verwies die Klägerin auf eine Stellungnahme ihres Geschäftsführers D. vom 31. Juli 2012. Darin heißt es unter anderem, durch die völlig veränderte Situation sei letztendlich die ursprüngliche Geschäftsgrundlage entfallen. Deshalb hätten sich die Parteien des Darlehensvertrages „in mehreren Gesprächen” über eine Ergänzung der Darlehensverträge verständigt: Für den Fall des Ausbleibens einer Dividendenzahlung der B. AG sei ersatzweise ab dem 1. Januar 2011 eine Mindest-Verzinsung in Höhe des jeweiligen effektiven Jahreszinses des vom Darlehensgeber Herrn C. mit seiner Bank (E. Bank für sein eigenes Darlehen vereinbarten Zinssatzes verabredet worden. Die Zinsen seien jeweils zum Jahresende fällig; eine Auszahlung habe allerdings „vorrangig im Rahmen der vorhandenen Liquidität” erfolgen sollen.

Der Beklagte bat die Klägerin in einem Erörterungsschreiben vom 12. Oktober 2012 unter anderem um Übersendung der Ergänzungsvereinbarung zur Mindestverzinsung. Die Klägerin antwortete, die B. AG habe nunmehr die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine Dividendenausschüttung in siebenstelliger Höhe geschaffen; damit sei die Vorauszahlung für die Verzinsung „ab dem Tag des ...

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