rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes des Kindes bei jährlich neunmonatigem Drittlandsaufenthalt in Begleitung der Mutter zum Schulbesuch

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Während eines mehrjährigen Auslandsaufenthalts zum Zwecke einer Ausbildung behält ein Kind seinen Wohnsitz in der Wohnung der Eltern im Inland im Regelfall nur dann bei, wenn es diese Wohnung zumindest überwiegend in den ausbildungsfreien Zeiten nutzt. Nicht erforderlich ist hingegen, dass das Kind den weit überwiegenden Teil der ausbildungsfreien Zeit im Inland verbringt.

2. Für das Innehaben einer Wohnung im Inland ist allein auf die tatsächlichen Verhältnisse und nicht auf die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für fehlende Inlandsaufenthalte abzustellen. Entsprechend kommt es für die Frage der Wohnsitzbeibehaltung auch nicht auf die große Entfernung zwischen Schul- bzw. Studienort und der im Inland genutzten Wohnung und die damit verbundene lange Reisedauer an.

3. Hält sich ein Kind in Begleitung der Mutter mehrere Jahre im Ausland (hier: Pakistan) auf, um dort die Schule zu besuchen, und verbringen beide jeweils die dreimonatigen Sommerferien gemeinsam mit der Familie in der inländischen Familienwohnung, behält das Kind seinen inländischen Wohnsitz bei und die Kindergeldberechtigung bleibt erhalten.

 

Normenkette

EStG § 62 Abs. 2; AO § 8

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 25.07.2019; Aktenzeichen III R 46/18)

BFH (Urteil vom 25.07.2019; Aktenzeichen III R 46/18)

 

Tenor

Die Aufhebungsbescheide, alle vom 20.06.2017 und in Gestalt der jeweiligen Einspruchsentscheidung vom 01.11.2017, bezüglich Kindergeld für die Kinder B. (insoweit auch geändert mit Bescheid vom 10.08.2017), C. (insoweit auch geändert mit Bescheid vom 06.10.2017) und D. werden aufgehoben.

Die Revision zum Bundesfinanzhof wird zugelassen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Kostenerstattungsanspruchs der Klägerin abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kindergeldberechtigung bei längerem ausländischem Schulbesuch der Kinder unter dem Gesichtspunkt, ob diese noch ihren Wohnsitz in Deutschland hatten oder es sich nur noch um Besuchsaufenthalte handelte, mit der Besonderheit, dass die Mutter mit den Kindern zusammen im Ausland war und die Mutter und die drei jüngeren Kinder in den dreimonatigen Sommerferien regelmäßig zusammen nach Deutschland kamen, wo sich der Vater und der ältere Bruder aufhielten.

I.

Die. geborene Klägerin und ihr. geborener Ehemann sind pakistanische Staatsangehörige. Ihre vier in E. geborenen und aufgewachsenen Kinder sind deutsche Staatsangehörige: F. (Sohn, geboren …), B. (Tochter, geboren …), C. (Sohn, geboren …) und D. (Sohn, geboren …). Die drei älteren Kinder besuchten zunächst in E. die Schule.

Der Ehemann der Klägerin erwarb im Dezember 2003 eine Eigentumswohnung in der G.-straße (4 Zimmer, ca. 87 m², FG-A Bl. 115), die später zu einer Wohnung mit drei großen Zimmern umgebaut wurde. Die Klägerin und ihre Ehemann erwarben ferner im März 2007 ein zu errichtendes Einfamilienhaus von einem Bauträger im späteren H.straße (6 Zimmer, ca. 200 m², FG-A Bl. 113, 117 ff.). Der Ehemann verfügt ferne infolge Erbschaft über ein Haus in I. (Pakistan) mit sechs Schlafzimmern, Wohnzimmer und Fernsehzimmer.

In der Familie war schon früher im Gespräch gewesen, ob die Kinder nicht eine englischsprachige Schule besuchen sollten, nachdem schon der ältere Sohn J. des Ehemannes der Klägerin aus dessen erster Ehe in England die Schule besuchte, wo auch dessen Mutter lebt. Eine Aufnahme in die britische Schule in E. konnte nicht erreicht werden. Letztlich entschied die Familie zum Sommer 2010, dass die Kinder die britische Schule in I. besuchen sollten, zumal die Familie dort über ein Haus und in der Umgegend über Verwandte verfügte und die dortige britische Schule einen guten Ruf genoss. Der. geborene ältere Sohn war jedoch zu diesem Zeitpunkt in seiner deutschen Schullaufbahn schon so weit vorgerückt, dass ein Wechsel auf die britische Schule in I. nicht mehr sinnvoll erschien, so dass dieser in E. blieb und nur die drei jüngeren Kinder die dortige Schule besuchen sollten. Da den Kindern die dortige Schule gefiel, blieben sie letztlich dann für sechs bzw. sieben Jahre dort. C. kam im Sommer 2016 endgültig zurück nach E., B. und D. und die Klägerin im Sommer 2017.

Die Klägerin, die Mutter der Kinder, lebte mit diesen zusammen in I.. Der Ehemann der Klägerin kam mindestens einmal jährlich, gelegentlich auch zweimal, dorthin für ca. einen Monat. Er war in E. selbständig tätig, die Besuche in I. hingen daher von seiner Arbeit ab und waren dementsprechend unregelmäßig. Der ältere Sohn kam nur selten, in der ganzen Zeit vielleicht zweimal, nach I..

Die Ferien in Pakistan dauern im Sommer drei Monate von Anfang...

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