rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung: Entschließungs- und Auswahlermessen bei der Festsetzung von Verzögerungsgeld

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Entscheidung über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes ist eine Ermessensentscheidung, wobei das Ermessen sowohl für die Frage, ob ein Verzögerungsgeld festgesetzt werden soll (Entschließungsermessen), als auch für die Höhe des Verzögerungsgeldes (Auswahlermessen) eröffnet ist. Diese Ermessensentscheidung ist gerichtlich nur in den durch § 102 FGO gezogenen Grenzen nachprüfbar.

2. Die Begründung der Ermessensentscheidung muss erkennen lassen, dass die Finanzbehörde den Ermessensspielraum erkannt hat und von welchen Gesichtspunkten sie bei der Ermessensentscheidung ausgegangen ist. Es müssen die angestellten Erwägungen, die Abwägungen, das Für und Wider aus der Entscheidung erkennbar sein.

3. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass trotz schuldhafter Säumnis die Finanzbehörde gleichwohl zu dem Ergebnis gelangen kann, von der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes abzusehen.

4. Eine Begründung des Auswahlermessens zur Rechtfertigung der Höhe des festgesetzten Verzögerungsgeldes ist nur dann entbehrlich, wenn lediglich der gesetzliche Mindestbetrag von 2.500 EUR festgesetzt wird.

 

Normenkette

AO § 146 Abs. 2b, § 5; FGO §§ 102, 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2

 

Tenor

Die Vollziehung des Bescheides über die Festsetzung eines Verzögerungsgeldes in Höhe von 5.000 EUR vom … Juni 2011 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … September 2011 wird bis zum Ablauf eines Monats nach Bekanntgabe einer abschließenden Entscheidung im Verfahren 3 K 3240/11 ausgesetzt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten in der Hauptsache, welche als Klageverfahren unter dem Aktenzeichen 3 K 3240/11 beim erkennenden Senat geführt wird, über die Rechtmäßigkeit der Festsetzung eines Verzögerungsgeldes.

Der Antragsteller – der als selbständiger … tätig ist – ermittelte seine Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Streitzeitraum (2006 und 2007) nach § 4 Abs. 3 EinkommensteuergesetzEStG – durch Einnahme-Überschussrechung.

Mit unangefochtenen Prüfungsanordnungen vom … und … Juli 2010 ordnete der Antragsgegner eine Außenprüfung an, die sich auf die Einkommensteuer sowie die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes (§ 10 a GewerbesteuergesetzGewStG –) der Jahre 2006 und 2007 erstreckte. Die Außenprüfung begann nach mehreren Terminverlegungen am … Dezember 2010. Die Prüfung fand in den Diensträumen des Antragsgegners statt.

Mit Schreiben vom 14. und 16. Dezember 2010 – auf die der beschließende Senat Bezug nimmt (Hinweisakte „Einspruchsverfahren Verzögerungsgeld”) – forderte der Prüfer den Antragsteller auf, diverse Unterlagen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit, Einkünften aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen vorzulegen sowie näher umschriebene Auskünfte binnen vier Wochen nach Erhalt des Schreibens vom 14. Dezember 2010 zu erteilen. Nachdem die Unterlagen trotz mehrerer fernmündlicher Rückrufe des Prüfers im Büro des Antragstellervertreters vom 11. und 28. Februar 2011 nicht vorgelegt worden waren (Hinweisakte „Einspruch Verzögerungsgeld”), drohte der Antragsgegner dem Antragsteller mit Schreiben vom 6. April 2011 ein nicht beziffertes Verzögerungsgeld zwischen 2.500 EUR bis 250.000 EUR für den Fall der Nichtvorlage der erbetenen Unterlagen an. Den dagegen als „Beschwerde” bezeichneten Rechtsbehelf wertete der Antragsgegner im Wege der Auslegung als Einspruch, den er unter Hinweis auf die in der Außenprüfung nicht vorgelegten Unterlagen mit Einspruchsentscheidung vom … Juni 2011 als unbegründet zurückwies. Nachdem ein Eingang der Unterlagen nicht – wie vereinbart (vgl. Telefonvermerk des Prüfers vom 26. April 2011, Hinweisakte „Einspruch Verzögerungsgeld”) – bis zum 5. Mai 2011 zu verzeichnen war, setzte der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller mit Verwaltungsakt vom … Juni 2011 ein Verzögerungsgeld in Höhe von 5.000 EUR fest. Zur Begründung führte er aus: Der Antragsteller sei der Erteilung von Auskünften und Vorlage angeforderter Unterlagen im Sinne des § 200 AbgabenordnungAO – im Rahmen einer Außenprüfung innerhalb der bestimmten als angemessen zu erachtenden Frist nicht nachgekommen. In einem internen Aktenvermerk vom … Mai 2011 hatte der Prüfer Folgendes niedergelegt:

„Vermerk über die Höhe des Verzögerungsgeldes: Gründe für die Pflichtverletzung wurden nicht dargelegt. Die erstmalige Frist endete bereits am 14.1.11. Der Ablauf der Außenprüfung ist auf Grund der Vielzahl der angeforderten Unterlagen erheblich beeinträchtigt. Den Stpfl. bzw. den steuerlichen Berater trifft ein erhebliches Verschulden an der mangelnden Mitwirkung.”

Den gegen die Festsetzung des Verzögerungsgeldes gerichteten Einspruch wies der Antragsgegner mit Einspruchsentscheidung vom … September 2011 als unbegründet zurück. Da der Antragsteller die vom Prüfer mit Schreiben vom 14. und 16. Deze...

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