Entscheidungsstichwort (Thema)

Aussetzung der Vollziehung. Bitcoin als Wirtschaftsgut. privates Veräußerungsgeschäft bei sog. Krypto-Assets

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist nicht ernstlich zweifelhaft, dass Bitcoins in rechtlicher Hinsicht als Wirtschaftsgut einzuordnen sind.

2. Bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung spricht alles dafür, dass eine Besteuerung von Veräußerungsgewinnen bei sog. Krypto-Assets gemäß § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG zulässig ist.

3. Die rechtliche Einordnung der Kryptowährungen als Wirtschaftsgut sowie die sich daraus ergebende Besteuerung führt nicht zu einem verfassungswidrigen Zustand. Das gilt auch im Hinblick auf ein strukturelles Vollzugsdefizit.

 

Normenkette

EStG § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; FGO § 69 Abs. 3 S. 1, Abs. 2 S. 2; GG Art. 3 Abs. 1

 

Tenor

Der Antrag auf Gewährung der Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2017 vom 15. März 2019 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden den Antragstellern auferlegt.

 

Tatbestand

I.

Die Antragsteller werden als Eheleute gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erklärten im Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und – der Antragsteller – aus freiberuflicher Tätigkeit. Außerdem erklärten sie einen Reingewinn aus C. i.H.v. 966.371,24 EUR. Dazu führten sie in einer der Einkommensteuererklärung beigefügten Aufstellung aus, der Antragsteller habe keine weiteren Auszahlungen in EUR getätigt. Einzahlungen in EUR seien nur in den Jahren 2013 bis 2015 vorgenommen worden. Handel habe wie auch in den Vorjahren auch auf anderen Handelsplattformen stattgefunden, jedoch nur in C.. Ein- und Auszahlungen in EUR seien ausschließlich über die Plattform … .net getätigt und auf das Bankkonto des Antragstellers ausgezahlt worden. Wegen der Angaben im Einzelnen nimmt der Senat entsprechend § 105 Abs. 3 S. 2 Finanzgerichtsordnung –FGO– auf die Aufstellung „C. Handel in EUR” (Blatt 49 bis 59 Einkommensteuerakten –EStA– Band I) Bezug.

Auf Nachfrage durch den Antragsgegner erklärte der Antragsteller, er habe am 28. Juli 2015 als Software-Entwickler der D. UG von seinem Arbeitgeber 25.474 ETH für 0,0005 ETH/BTC in BTC kaufen können. Wegen der Transaktionen im Einzelnen wird auf Bl. 69 EStA I sowie den Vertrag in englischer Sprache zwischen der Stiftung D. und dem Antragsteller (Bl. 70 bis 74 EStA I) verwiesen.

Der Antragsgegner setzte gegenüber den Antragstellern die Einkommensteuer für 2017 in dem Bescheid vom 15. März 2019 auf 459.323,00 EUR fest. Dabei behandelte er den von den Antragstellern erklärten Gewinn aus C. i.H.v. 966.371,00 EUR als sonstige Einkünfte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG.

Mit dem dagegen am eingelegten Einspruch begehrten die Antragsteller, die Einkünfte des Antragstellers um 966.371,00 EUR reduziert zu berücksichtigen. Außerdem beantragten sie die Aussetzung der Vollziehung sowie das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf das bei dem Bundesfinanzhof –BFH– anhängige Revisionsverfahren IX R 10/18.

Sie halten das sog. Kryptoergebnis i.H.v. 966.371,00 EUR für nicht steuerbar. Die Voraussetzungen für eine Erfassung als privates Veräußerungsgeschäft gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG seien nicht erfüllt. Das Kryptoergebnis sei nicht durch Anschaffung und Veräußerung von Wirtschaftsgütern entstanden. Es sei zu beachten, dass bei den virtuellen Vorgängen trotz – letztlich irreführender – Begriffe und graphischer Abbildungen weder Geld noch Währung bzw. ein gesetzliches Zahlungsmittel eine Rolle spielten. Unter Berücksichtigung der technischen Abläufe finde bei der Änderung der Verknüpfung zwischen „Virtueller Einheit” –VE– und „Öffentlichem Schlüssel” –ÖS– keine „Anschaffung von Bitcoins” statt. Auch im sog. „Wallet” werde – trotz der Bezeichnung als Geldbörse – kein Zahlungsmittel, sondern nur der zur Transaktion notwendige „Private Schlüssel” –PS– aufbewahrt. Man könne sich das Ent- und Verknüpfen der VE mit ÖS nicht analog zur Funktionsweise eines Bankkontos vorstellen. Der Inhaber des PS habe keine praktisch durchsetzbaren Rechte von wirtschaftlichem Wert. Daher seien auch die Anforderungen an das Vorliegen eines Wirtschaftsgutes nicht erfüllt. Bei Anwendung der Definition des BFH könne es sich um einen „tatsächlichen Zustand”, eine allerdings unkonkrete Möglichkeit oder allenfalls einen geringen Vorteil für den Betrieb handeln. Die regelmäßige Nutzbarkeit für mehrere Wirtschaftsjahre sei bei Verknüpfungen zu VE nicht feststellbar, zumindest nicht absehbar und schon gar nicht garantiert.

Aber auch wenn man das Kryptoergebnis zu den privaten Veräußerungsgeschäften zählen wolle, sei eine Besteuerung verfassungswidrig. Die Vorschrift wäre wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits nichtig. Insoweit gelte dasselbe, wie es das Bundesverfassungsgericht –BVerfG– in seinem Urteil 2 BvL 17/02 für Veräußerungsgeschäfte bei Wertpapieren ausgeführt habe. Da § 49 Abs. 1 Nr. 8 EStG nicht die „anderen Wirtschaftsgüter” erfass...

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