Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung des Einkommensteuersatzes beim Zusammentreffen von außerordentlichen Einkünften und Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Anwendung der additiven Methode

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Ermittlung des Steuersatzes nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG ist eine völlige Außerachtlassung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Leistungen und Einkünfte mit dem Wortlaut der Vorschrift des § 32b EStG nicht vereinbar.

2. Bei Zusammentreffen von außerordentlichen Einkünften mit Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, ist die additive Methode anzuwenden: danach sind die Vorschriften der §§ 34, 32b EStG zunächst getrennt anzuwenden und die jeweiligen steuererhöhenden und steuerermäßigenden Wirkungen anschließend auszugleichen.

 

Normenkette

EStG § 32b Abs. 1, § 34 Abs. 2

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 01.04.2009; Aktenzeichen IX R 87/07)

BFH (Urteil vom 01.04.2009; Aktenzeichen IX R 87/07)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 17. April 2003 wird der Einkommensteuerbescheid 2000, zuletzt geändert am 1. Februar 2005, dahingehend abgeändert, dass die Einkommensteuer auf DM 28.028 bzw. Euro 14.330 festgesetzt wird.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, haben die Kläger in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Kläger nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet haben, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Berechnung der tariflichen Einkommensteuer beim Zusammentreffen von außerordentlichen Einkünften im Sinne des § 34 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünften im Sinne des § 32b Abs. 1 EStG.

Die Kläger sind verheiratet und wurden im Streitjahr 2000 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist von Beruf Dipl. Physiker und war im Streitjahr 62 Jahre alt. Er erhielt im Zusammenhang mit der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses von seinem Arbeitgeber eine Abfindung von DM 375.000 und bezog DM 24.949 Arbeitslosengeld. Außerdem erzielte er DM 53.669 Einkünfte aus der Vermietung eines Wohnhauses in Frankreich.

Zunächst erging ein Einkommensteuerbescheid vom 6. Dezember 2001, gegen den die Kläger unter anderem wegen der Steuerberechnung nach § 34 Abs. 1 EStG in Verbindung mit dem zu berücksichtigenden Progressionsvorbehalt nach § 32b EStG Einspruch einlegten.

Einvernehmen besteht zwischen den Beteiligten darin, dass das gesamte zu versteuernde Einkommen nach § 34 Abs. 1 Satz 3 EStG tarifbegünstigt ist und dass sowohl das Arbeitslosengeld als auch die in Frankreich bezogenen Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung dem Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 Nr.1 a bzw. Nr. 2 EStG unterliegen. Streitig ist jedoch die Art und Weise der Berechnung des Steuersatzes bzw. der tariflichen Einkommensteuer.

Das beklagte Finanzamt setzte entsprechend H 34.2 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) bzw. Einkommensteuerhinweise (EStH) und dem in der Finanzverwaltung verwendeten EDV-Programm das zu versteuernde Einkommen mit einem Fünftel an, addierte hierzu das Arbeitslosengeld und die ausländischen Einkünfte, sodass sich hieraus das zur Errechnung des Steuersatzes maßgebliche zu versteuernde Einkommen ergab und errechnete unter Zuhilfenahme der Splittingtabelle den vorliegend anzuwendenden Steuersatz.

Die Kläger hingegen vertreten die Auffassung, dass nicht nur das zu versteuernde Einkommen mit einem Fünftel zu berücksichtigen sei, vielmehr müssten auch die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte nur mit jeweils einem Fünftel berücksichtigt werden, sodass sich ein wesentlich niedrigerer Steuersatz ergebe.

Mit der Einspruchsentscheidung vom 17. April 2003 wurde der Einspruch im hier noch allein streitigen Punkt als unbegründet zurückgewiesen, wobei die Steuer auf DM 45.180 herabgesetzt wurde.

Dagegen erhob der Kläger form- und fristgerecht Klage und verfolgt sein bisheriges Begehren bezüglich der Berechnung der Steuer weiter. Zur Begründung führt er aus, dass nach der Methode der Finanzverwaltung ein Fünftel des zu versteuernden Einkommens um 100% der Progressionseinkünfte erhöht und daraus ein überhöhter Steuersatz errechnet werde. Damit werde der Grundsatz der gleichmäßigen Steuerverteilung im Hinblick auf die Besteuerung nach § 34 EStG durchbrochen. Folgerichtig sei, nur ein Fünftel der Progressionseinkünfte dem um ein Fünftel gekürzten, zu versteuernden Einkommen hinzuzurechnen. Der besondere Steuersatz nach § 32b Abs. 1 EStG sei aus diesem maßgebenden, zu versteuernden Einkommen zu ermitteln. Dieser besondere Steuersatz sei auf ein Fünftel des...

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