rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Lohnsteuerhaftung des Arbeitgebers. Geldwerter Vorteil einer Mitarbeiterreise

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Findet eine vom Arbeitgeber als sogenannte Jahrestagung der Außendienste veranstaltete Mitarbeiterreise nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht im ausschließlich eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers statt, da neben fachbezogenen Fortbildungsveranstaltungen auch in wesentlichem Umfang Programmpunkte von einigem Erlebniswert enthalten sind, so stellen die zur Finanzierung dieser Unternehmung getätigten Aufwendungen geldwerte Zuwendungen an die teilnehmenden Mitarbeiter dar. Es handelt sich um steuerpflichtigen Arbeitslohn, für den Lohnsteuer einzubehalten ist. Kommt der Arbeitgeber dieser Verpflichtung schuldhaft nicht nach, so kann er zur Lohnsteuerhaftung herangezogen werden.

2. Der geldwerte Vorteil ist mit den hierfür üblichen Endpreisen am Abgabeort zu bewerten. Nicht maßgeblich ist, welchen Betrag der einzelne Arbeitnehmer zur Erlangung des entsprechenden Vorteils hätte aufwenden müssen.

3. Von einem schuldhaften Verhalten des Arbeitgebers ist auszugehen, wenn sich allein schon angesichts der Höhe der Aufwendungen die Einholung einer Auskunft nach § 42e EStG geradezu aufgedrängt hätte. Macht der Arbeitgeber von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, so muss er sich fahrlässiges Verhalten vorwerfen lassen, und kann sich der späteren Haftungsinanspruchnahme nicht unter Berufung auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum entziehen.

 

Normenkette

EStG 1990 §§ 42d, 42e, 19 Abs. 1 S. 1, § 8 Abs. 2 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 18.08.2005; Aktenzeichen VI R 32/03)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin ihren Außendienstmitarbeitern mit der Durchführung einer Betriebsveranstaltung an der Südküste Portugals einen geldwerten Vorteil zugewendet hat, den sie der Lohnsteuer hätte unterwerfen müssen, und ob die Haftungsinanspruchnahme wegen einer diesbezüglichen Unterlassung ermessensfehlerfrei erfolgt ist.

Die im Jahr 2002 durch formwechselnde Umwandlung aus der GmbH hervorgegangene Klägerin betreibt die Herstellung von und den Handel mit chemischen, pharmazeutischen, kosmetischen und diätetischen Erzeugnissen aller Art. Im Gebiet der neuen Bundesländer war sie – damals noch in der Rechtsform der GmbH – zunächst durch zwei Tochtergesellschaften, nämlich die Arzneimittel GmbH und die Pharmawerk GmbH vertreten. Seit Februar 1992 steht der gesamte inländische Pharmabetrieb unter ihrer Leitung.

Im Rahmen einer im März 1995 begonnenen Lohnsteueraußenprüfung bei der Klägerin stellte der Prüfer fest, dass diese in der Zeit vom 04. bis 08. November 1992 (Mittwoch bis Sonntag) unter dem Motto „Wettbewerbsvorteile durch Kundenmanagement – vom Produktspezialisten zum Marktspezialisten” eine Jahrestagung der Außendienste in einem Hotel an der Algarve (Portugal) veranstaltet hat. Teilnehmer an dieser Veranstaltung waren 275 bei der Klägerin beschäftigte Außendienstmitarbeiter und ferner 34 Personen, die teils bei ihr im Innendienst beschäftigt waren und teils als Betriebsfremde in betreuender oder vortragender Funktion an der Tagung teilgenommen haben. Das Programm, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird (vgl. Blatt 41 bis 46 der Lohnsteuerhaftungsakte), sah im Wesentlichen folgenden Verlauf der Reise vor:

Mittwoch, 04.11.92:

Anreise der Tagungsteilnehmer mittels Linien- bzw. Charterflugzeugen nach Portugal. Nach Eintreffen der Teilnehmer im Hotel: 20.00 Uhr Begrüßungs-Cocktail und gemeinsames Abendessen.

Donnerstag, 05.11.92:

Nach dem Frühstück: Fachvorträge bis 12.00 Uhr, unterbrochen von einer halbstündigen Kaffeepause. Nach der Mittagspause ab 13.30 Uhr Busfahrt in die naheliegende Stadt Lagos mit „Sport- und Spieleprogramm”. Am Abend nach einer zweistündigen Betriebsversammlung ab 20.15 Uhr Barbecue am Pool des Hotels.

Freitag, 06.11.92:

Nach dem Frühstück: einstündiger Fachvortrag, anschließend dreistündige Gruppenarbeit mit integrierter Kaffeepause. Am Nachmittag: „Lagos auf eigene Faust”. Am Abend: „Portugiesischer Abend” auf einem Landgut.

Samstag, 07.11.92:

Nach dem Frühstück Präsentation der bisherigen Arbeitsergebnisse sowie ein Fachvortrag mit Kaffeepause. Am Nachmittag: Ausflug nach Sagres bzw. ein „Sport- und Spieleprogramm”. Am Abend: Cocktail-Empfang mit Gala-Diner und anschließend Unterhaltungsprogramm „Brasilianische Nacht”.

Sonntag, 08.11.92:

Bis zur Mittagspause: Brunch-Buffet auf der Hotelterrasse. Am Nachmittag: Rückreise „je nach Flugplan”.

Von der mit der Organisation der Reise beauftragten Service GmbH sind der Klägerin hierfür folgende Kosten berechnet worden (vgl. Blatt 51 bis 63 der Lohnsteuerhaftungsakte):

Flugkosten

280.242,00 DM

Übernachtungskosten

135.914,00 DM

Verpflegung/Getränke

228.403,82 DM

Tagungsräume

3.645,00 DM

Transferleistungen

30.771,56 DM

Ausflüge und Sportprogramm

6.713,50 DM

Entertainment (Abendveranstaltungen)

29.925,00 DM

Sons...

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