Entscheidungsstichwort (Thema)

Wirksamkeit eines gegen den Steuerpflichtigen und seinen verstorbenen Ehegatten gerichteten Einkommensteuer-Zusammenveranlagungsbescheids. Familienleistungsausgleich. Günstigerprüfung unter Berücksichtigung der Fünftel-Regelung für außerordentliche Einkünfte

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Gegen die Wirksamkeit eines gegen den Steuerpflichtigen und seinen verstorbenen Ehegatten gerichteten Zusammenveranlagungsbescheids zur Einkommensteuer kann nicht eingewandt werden, dass die gegen den verstorbenen Ehegatten nach dessen Tod gerichtete Steuerfestsetzung unwirksam gewesen ist. Aus dem Rechtsgedanken des § 125 Abs. 4 AO ergibt sich, dass die Festsetzung gegenüber dem Steuerpflichtigen in solchen Fällen regelmäßig wirksam bleibt.

2. Die Prüfung, ob vom Abzug des Kinderfreibetrags abzusehen ist, weil er die Kindergeldentlastung nicht übersteigt (sog. Günstigerprüfung), ist nicht auf das einzelne Kind bezogen, sondern als Gesamtbetrachtung durchzuführen, wenn sie unter Berücksichtigung der sog.Fünftel-Regelung für außerordentliche Einkünfte im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG zu erfolgen hat.

 

Normenkette

EStG 1997 § 32 Abs. 6, §§ 31, 34 Abs. 1 S. 2, § 26b; AO § 44 Abs. 1, § 125 Abs. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 28.04.2010; Aktenzeichen III R 86/07)

 

Tenor

1. Unter Änderung des an den Kläger gerichteten Einkommensteueränderungsbescheides für 2000 vom 12. Februar 2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2004 wird die Einkommensteuer auf 34.590 DM festgesetzt.

2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500EUR, darf die Vollstreckung nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe des darin festgesetzten Erstattungsbetrages erfolgen. In anderen Fällen kann der Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

5. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Der am 3. Februar 1938 geborene Kläger wird mit seiner am 22. Juni 2000 verstorbenen Ehefrau (im Folgenden auch: die Erblasserin) für das Jahr 2000 (Streitjahr) zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Rechtsnachfolger nach der Erblasserin wurden der Kläger zu 1/2 und die gemeinsamen Kinder S (geb. am 24. August 1972), B (geb. am 21. Dezember 1973) und C (geb. am 07. Juli 1977) zu je 1/6 (Hinweis auf den Erbschein des Notariats X – Nachlassgericht – vom 21. Juli 2000, Bl. 71 der FG-Akten).

Die Töchter befanden sich im Streitjahr noch in Ausbildung (Hinweis auf Zeile 107 des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung, [Bl. 29 Rückseite der Einkommensteuerakten] und Anlage Kinder [Bl. 32/2000 der Einkommensteuerakten]).

Durch den (ursprünglichen) Bescheid vom 12. November 2001 setzte der Beklagte (das Finanzamt – FA –) die Einkommensteuer 2000 nach einem zu versteuernden Einkommen von 159.154 DM nach der Splittingtabelle auf 31.716 DM fest. Kinderfreibeträge berücksichtigte das FA für die Töchter B und C und im Übrigen rechnete es das für die beiden Töchter gezahlte Kindergeld in Höhe von 6.480 DM nach § 36 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung – EStG – der Einkommensteuer hinzu. Im Bescheid versteuerte das FA auf Antrag (Zeile 45 des Mantelbogens zur Einkommensteuererklärung [Bl. 38/Rs der Einkommensteuerakten]) den vom Kläger erzielten Veräußerungsgewinn aus selbständiger Arbeit in Höhe von 140.000 DM (= 200.000 DM ./. 60.000 DM [Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG a.F.]) nach der sog. Fünftel-Regelung nach § 34 Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 – StEntlG 1999/2000/2002 – vom 24. März 1999 (BGBl. I 1999, 402, BStBl. I 1999, 304). Die Vergleichsrechnung (sog. Günstigerprüfung), nach der die gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums für die insoweit allein in Betracht kommenden Töchter B und C nicht bereits durch das ausgezahlte Kindergeld, sondern erst durch die Kinderfreibeträge bewirkt wurde, wurde (nach den Angaben des FA) wie folgt durchgeführt (Bl. 90–92 der Einkommensteuerakten):

Berechnung ohne Kinder

DM

DM

DM

Einkommen

172.978

Kinderfreibetrag

zu versteuerndes Einkommen

172.978

./. Außerordentliche Einkünfte (§ 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG)

140.000

Zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:

32.978

Einkommensteuer (für laufende Einkünfte)

1.432

Einkünfte (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)

140.000

hiervon 1/5 (§ 34 Abs. 1 Satz 2 EStG)

28.000

+ zu versteuerndes (verbleibendes) Einkommen nach Abzug der außerordentlichen Einkünfte:

32.978

Summe

60.978

Einkommensteuer für verbleibendes zu versteuerndes Einkommen zuzüglich eines Fünftels der außerordentlichen Einkünfte:

8.874

./. Einkommensteuer für laufende Einkünfte:

1.432

Unterschied

7.442

Betrag × 5

37.210

Gesamt

38.642

Berechnung mit...

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