Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtmäßigkeit einer Auftragsprüfung durch eine andere Finanzbehörde

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Beauftragung anderer Finanzbehörden mit der Außenprüfung (§ 195 Satz 2 AO) ist eine Ermessenensentscheidung, die nur im Rahmen des § 102 FGO gerichtlich überprüfbar ist.

2. Der Prüfungsauftrag kann durch innerdienstlichen Auftrag oder in einem Verwaltungsakt, in dem die Beauftragung nach außen wirksam wird, erfolgen.

3. Aus dem Prüfungsauftrag ergibt sich der zu prüfende Steuerpflichtige und der Umfang der Prüfung der Zeit und der Sache nach. Welche Maßnahmen zur Erledigung des Auftrags ergriffen werden, liegt im Ermessen der beauftragten Finanzbehörde.

4. Ob ein derartiger Auftrag vorhanden ist, kann im Wege der Anfechtung der Prüfungsanordnung überprüft werden.

5. Das beauftragte Finanzamt ist befugt, die Ermessenserwägungen des beauftragenden Finanzamts zu ergänzen.

6. Enthält die Prüfungsanordnung keine ausreichende Ausführungen dazu, welche konkrete unternehmerische Betätigung den Grund für die Erteilung des Prüfungsauftrags bildet, ist die Prüfungsanordnung rechtswidrig.

 

Normenkette

AO §§ 195, 5, 126 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 102; BpO § 13

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.05.2013; Aktenzeichen IX R 27/12)

 

Tenor

1) Die Prüfungsanordnung des Beklagten vom 1. Dezember 2009 und die Einspruchsentscheidung vom 3. August 2010 werden aufgehoben.

2) Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3) Das Urteil ist wegen der der Klägerin zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR ist das Urteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrags vorläufig vollstreckbar.

4) Die Revision wird zugelassen.

5) Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Prüfungsanordnung (PA) des Beklagten (Bekl) vom 1. Dezember 2009 rechtmäßig ist.

Mit Urteil vom 18. März 2009 hob das Finanzgericht Baden-Württemberg die PA des Bekl vom 11. Dezember 2006, die sich gegen die Klägerin (Klin) und ihren Ehemann, Herrn B.X., richtete und die Einkommensteuer (ESt) einschließlich gesonderter Feststellungen, die Gewerbesteuer (GewSt) und die Umsatzsteuer (USt) – jeweils für die Jahre 2001 bis 2004 – zum Gegenstand hatte, mangels örtlicher Zuständigkeit des Bekl auf. Die vom Bekl gegen das finanzgerichtliche Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 14. Januar 2010 als unbegründet zurückgewiesen.

Bereits mit Schreiben vom 10. November 2009 hatte sich der Bekl an das Finanzamt Z – das Wohnsitzfinanzamt der Klin – gewandt und ausgeführt, „Bei dem Konzern B.X., C-Straße 1, Y, Konzernnummer: 999…” werde derzeit eine Betriebsprüfung durchgeführt (Beginn der Prüfung: Dezember 2006; Prüfungszeitraum: 2001 – 2004). (…). Zum Konzernbereich gehöre nachstehendes Unternehmen: Eheleute B. und A.X., D-Straße 2, V.

Unter Hinweis auf die §§ 13 ff der Betriebsprüfungsordnung (BpO) sei es zweckmäßig, dieses Unternehmen von Y aus zu prüfen, weil

  • sich die Buchführung hier befinde und
  • sich die Auskunftspersonen hier befänden.

Der Bekl bat daher um Übertragung der Befugnis zum Erlass der PA. Der Prüfungsauftrag solle – so der Bekl – insbesondere die ESt und die USt umfassen und jeweils gesondert für Herrn B.X. (StNr. …) und Frau A.X. – die Klin – (StNr. …) erfolgen. Bislang liege beim Bekl eine Beauftragung durch das nicht zuständige BetriebsprüfungsFinanzamt U vom 30. März 2009 vor. Da es sich um einen Fall der „AP-Z” handle, müsse vom Finanzamt Z auch der Auftrag erteilt werden. Aufgrund drohender Verjährung des Prüfungszeitraums 2002 werde um baldmöglichste Antwort gebeten.

Mit Schreiben vom 23. November 2009 teilte das Finanzamt Z dem Bekl unter Bezugnahme auf dessen Schreiben vom 10. November 2009 mit, es übertrage ihm hiermit die Befugnis zur Anordnung und Durchführung einer AP bei der Klin gemäß § 195 Satz 2 Abgabenordnung (AO) und § 5 Abs. 1 Satz 1 BpO. Der Prüfungszeitraum solle die Jahre 2001 bis 2004 betreffen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Finanzamts Z vom 23. November 2009 Bezug genommen.

Mit einem weiteren Schreiben gleichen Datums erging eine gesonderte Beauftragung hinsichtlich der „Eheleute B. und A.X.”. Wegen der Einzelheiten wird auf dieses Schreiben Bezug genommen.

Der Bekl ordnete daraufhin mit PA vom 1. Dezember 2009 gegenüber der Klin die Durchführung einer Außenprüfung (AP) an. Die PA hat den folgenden Wortlaut:

„Anordnung einer Außenprüfung

Sehr geehrte A.X.,

zur Ermittlung der ...

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