rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Verteilung außergewöhnlicher Belastungen auf mehrere Veranlagungszeiträume aus Billigkeitsgründen

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine Verteilung von Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses als außergewöhnliche Belastung auf mehrere Veranlagungszeiträume aus Billigkeitsgründen kommt nicht in Betracht.

2. Der Zeitpunkt des Abzugs außergewöhnlicher Belastungen richtet sich nach § 11 Abs. 2 EStG, d. h. die außergewöhnliche Belastung ist im Veranlagungszeitraum der Verausgabung – ggf. vermindert um zu erwartende Ersatzleistungen – steuermindernd zu berücksichtigen. Eine Korrektur des Gesetzes in seinen allgemeinen Folgen im Wege der Billigkeit ist unzulässig.

3. Die gesetzlichen Regelungen zum Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zielen nicht darauf ab, eine größtmögliche Steuerentlastung zu ermöglichen, sondern bezwecken eine am Jahresprinzip auszurichtende Steuerentlastung.

4. § 163 Satz 1 AO ermöglicht nicht die Erhöhung der Steuer in einem Veranlagungszeitraum und ein „Hinzuerfinden” mindernder Besteuerungsgrundlagen in einem darauffolgenden Veranlagungszeitraum.

 

Normenkette

AO § 163; EStG §§ 33, 11 Abs. 2, § 2 Abs. 7; FGO § 102

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 12.06.2018; Aktenzeichen 1 BvR 33/18)

BFH (Beschluss vom 12.07.2017; Aktenzeichen VI R 36/15)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob aus Billigkeitsgründen eine Verteilung als außergewöhnliche Belastung anerkannten Aufwendungen für den behindertengerechten Umbau eines Hauses auf mehrere Veranlagungszeiträume vorzunehmen ist.

Die Kläger sind verheiratet und werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Sie haben drei, in den Jahren 2001, 2004 und 2011 geborene Kinder. Die im Jahr 2004 geborene Tochter (T) ist schwer- und mehrfachbehindert. Sie hat keine eigene Rumpfund Kopfkontrolle, leidet an epileptischen Anfällen, kann sich nicht mitteilen und ist blind. Sie wird in ihrem Elternhaus gepflegt und betreut.

Der Kläger erzielte im Veranlagungszeitraum 2011 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 121.949 EUR; die Klägerin war nicht (mehr) erwerbstätig.

Der Gesamtbetrag der Einkünfte der Kläger betrug 134.012 EUR (2010), 121.949 EUR (2011), 115.481 EUR (2012) und 115.871 EUR (2013).

Im Veranlagungszeitraum 2011 haben die Kläger ihre selbstgenutzte Doppelhaushälfte für insgesamt 165.981 EUR behindertengerecht umgebaut (Sonderakte Bl. 43), wovon ihnen 2.557 EUR von der Pflegeversicherung erstattet wurden (Rb-Akte Bl. 61). Angrenzend an das Wohnzimmer im Erdgeschoss und das darüber liegende Schlafzimmer haben sie einen 2-geschossigen Anbau mit einer Fläche von je 13,39 m² Wohnfläche errichtet, in den ein Lastenaufzug integriert ist. In den beiden Räumen des Anbaus befinden sich der Zugang zum Lastenaufzug, ein mobiler Lifter, Rollstühle und Therapiegeräte, Regale und Schränke zur Aufbewahrung sonstiger für die Pflege von T benötigter Gegenstände. Der im Obergeschoss an den Anbau angrenzende Raum dient als Pflegezimmer für T ist mit einem Spezialbett und Spezialbadewanne ausgestattet. Wegen aller weiteren Einzelheiten wird auf die Feststellungen des Außenprüfers (Sonderakte Bl. 5-27) Bezug genommen. Sämtliche mit dem Umbau in Zusammenhang stehende Rechnungen bezahlten die Kläger im Veranlagungszeitraum 2011.

In der am 29. Mai 2012 beim Beklagten (dem Finanzamt –FA–) eingereichten Einkommensteuererklärung machten die Kläger einen Teilbetrag der Umbaukosten in Höhe von 60.000 EUR als außergewöhnliche Belastung geltend und beantragten unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesfinanzhofes (BFH) vom 2. Oktober 2009 VI R 7/09 (BStBl II 2010, 280) den Restbetrag auf die folgenden zwei Veranlagungszeiträume zu verteilen. Das FA führte die Einkommensteuerveranlagung 2011 entsprechend der Erklärung durch und setzte mit Einkommensteuerbescheid vom 12. September 2012 die Einkommensteuer auf 10.329 EUR unter Vorbehalt der Nachprüfung fest. Wegen der geltend gemachten außergewöhnlichen Belastungen wurde eine abgekürzte Außenprüfung durchgeführt. Dabei erkannte der Prüfer die Aufwendungen für die Errichtung des Anbaus, des behinderungsgerechten Bades und Lastenaufzugs in vollem Umfang als außergewöhnliche Belastung an. Die Aufwendungen für die Neuanlage von Terrasse und Garten in Höhe von 25.368 EUR erkannte er zu 1/3 als außergewöhnliche Belastung an. Im Anschluss an die Außenprüfung erging am 22. Oktober 2012 ein Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr, in dem außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 149.069 EUR berücksichtigt wurden. Die Einkommensteuer wurde auf 0 EUR festgesetzt und der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben.

In der Begründung des Bescheids lehnte das FA eine Verteilung der außergewöhnlichen Belastungen auf mehrere Jahre ab.

Mit Schreiben vom 23. November 2012 legte der damalige Berater der Kläger fristgerecht Einspruch gegen den Einkommenst...

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