Entscheidungsstichwort (Thema)

Fußreflexzonenmassage keine freiberufliche Tätigkeit; außergerichtliches Vorverfahren auch für Billigkeitsverfahren; keine Aussetzung des Verfahrens bei Billigkeitsantrag vor Gericht

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Fußreflexzonenmasseur ist wegen Fehlens einer öffentlich-rechtlich geregelten Ausbildung, Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung und der staatlichen Überwachung i.S. des § 9 Abs. 2 1. DVO zum Heilpraktikergesetz nicht freiberuflich tätig i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG.

2. Ein oder mehrere Billigkeitsverfahren können neben dem Festsetzungs- oder Feststellungsverfahren betrieben werden. Sie bilden dann aber nicht einen Teil davon, sondern sind jeweils selbständige Verfahren. Für die gerichtliche Prüfung der in ihnen ergangenen Bescheide fordert - soweit eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht kommt - § 44 Abs. 1 FGO allerdings die vollständige oder teilweise Erfolglosigkeit des Vorverfahrens über den außergerichtlichen Rechtsbehelf.

3. Das Billigkeitsverfahren nach § 163 AO greift zwar als Grundlagenverfahren bis zur Rechtskraft der in ihm getroffenen Entscheidung der Anfechtungsklage gegen den Steuerbescheid vor. Das Klageverfahren gegen den Steuerbescheid ist aber nicht auszusetzen, wenn während dieses Verfahrens ein Billigkeitsantrag nach § 163 AO nur beim Gericht angebracht wird.

 

Normenkette

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1; GewStG § 2 Abs. 1; UStG § 4 Nr. 14; FGO §§ 74, 44; AO 1977 § 163

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 12.08.2004; Aktenzeichen V R 18/02)

BFH (Urteil vom 19.09.2002; Aktenzeichen IV R 45/00)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Ausübung der Fußreflexzonenmassage durch den Kläger die Tatbestandsmerkmale einer freiberuflichen Tätigkeit erfüllt.

Der am geborene Kläger ist gelernter. Er war rund 25 Jahre an verschiedenen Krankenhäusern als Kranken- und Altenpfleger angestellt. Danach hat er 1983 in B eine Praxis für medizinische Fußpflege und Fußreflexzonenmassage eröffnet. Er hat bei privaten Fortbildungsinstitutionen folgende Examina abgelegt:

1983:

Bildungswerk:

Medizinischer Fußpfleger

Lehranstalt für manuelle Therapie:

Fußreflexzonenmassage

-Institut:

Praktischer Psychologe

1991:

-Institut:

Heilpraktiker

1996:

-Institut (ehem.):

Sport- und Fitnessmassage

Der Kläger beschrieb dem Beklagten gegenüber die von ihm praktizierte Reflexzonenbehandlung an Händen und Füßen als manuelle Dienstleistung, die ohne Einsatz von Medikamenten und Instrumenten Krankheiten positiv beeinflussen und heilen könne. Kraft seiner psychologischen Ausbildung könne er in untergeordnetem Umfang bei der Therapie die psychische Verfassung seiner Patienten analysieren und durch Gespräche auf sie einwirken. Die Ausbildung zum Reflexzonentherapeuten erfordere lediglich medizinische Grundkenntnisse, die er im Rahmen seines beruflichen Werdeganges erworben habe.

Das Sozialministerium Y hat mit Schreiben vom 10. Februar 19 an den Kläger darauf hingewiesen, dass Fußreflexzonenmassage grundsätzlich als erlaubnispflichtige Ausübung der Heilkunde anzusehen sei. Eine solche Erlaubnis besitze er nicht. Deshalb dürfe er die Fußreflexzonenmassage nur unter Aufsicht und Verantwortung einer befugten Heilperson vornehmen. Auf den Inhalt des Schreibens im Einzelnen wird verwiesen.

Das Landratsamt Z hat in einem Schreiben vom 1. Juni 19 an den Kläger festgestellt, er sei nur berechtigt. Fußreflexzonenmassage auszuüben, wenn diese ärztlich verordnet sowie vom Arzt überwacht und verantwortet sei. Die beiden letzten Bedingungen betrachtet es durch die Vorlage von Befürwortungen seitens dreier Ärzte für gegeben. Auf die Einzelheiten des Inhalts des Schreibens wird Bezug genommen.

Beim Kläger wurde 1991 eine Außenprüfung durchgeführt, welche die Jahre 1987 bis 1989 umfasste. Im Anschluss daran hatte am 3. Juli 1992 zwischen ihm und seinem Berater sowie dem Vorsteher des Beklagten eine Besprechung über die steuerliche Behandlung seiner Tätigkeit als Fußreflexzonenmasseur stattgefunden. In deren Verlauf erklärte sich der Vorsteher bereit, „die Einspruchsentscheidungen zurückzunehmen, wenn vor deren Bestandskraft eine schriftliche Bescheinigung der zuständigen Stelle (Landratsamt) vorgelegt würde, in der bestätigt werde, dass Herr U zwar Heilkunde ausübe, aber dafür keine staatliche Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz benötige.”

Da der Kläger die Auffassung vertritt, seine Fußreflexzonenmassage sei nicht erlaubnispflichtige freiberufliche Tätigkeit, gab er für die Streitjahre 1991 bis 1994 keine Umsatzsteuererklärungen und für 1991 bis 1993 keine Feststellungs- und keine Gewerbesteuererklärungen ab. Der Beklagte erließ deshalb entsprechend seiner Wertung als Gewerbebetrieb die mit dem Vorbehalt der Nachprüfung versehenen Umsatzsteuerbescheide 1991 vom 10. Dezember 19, 1992 vom 11. Mai 19 sowie 1993 und 1994 jeweils vom 23. November 19, die Feststellungsbescheide 1991 vom 15. November 19, 1992 vom 18. März 19 sowie 1993 vom 13. November 19 und die Gewerbesteuermessbescheide 1991 vom 28...

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