rechtskräftig

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine vollständige Nachholung der wegen der Übertragung einer Außenprüfung auf ein anderes FA darzulegenden Ermessenserwägungen bis zum Abschluss des finanzgerichtlichen Verfahrens. Erweiterung des Umfangs einer Außenprüfung (Prüfungsanordnung vom …)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Fehlt bis zum Ergehen der Entscheidung über den gegen eine Prüfungsanordnung eingelegten Einspruch jegliche Begründung der Ermessensentscheidung des FA, ein anderes FA mit der Durchführung einer Außenprüfung zu beauftragen, so dass es sich um eine vollständige Nachholung und nicht lediglich um eine Ergänzung der Ermessenserwägungen handelt, scheidet die Möglichkeit, das Begründungsdefizits bis zum Abschluss der Tatsacheninstanz des finanzgerichtlichen Verfahrens i. S. des § 102 Satz 2 FGO (i.d.F. des StÄndG 2001) nachzuholen, aus.

2. Die Begründung für die Übertragung einer Außenprüfung auf ein anderes FA i. S. des § 195 Satz 2 AO 1977 stellt sich nicht als bloße Ergänzung einer einheitlichen, sämtliche Bereiche einer Prüfungsanordnung umfassenden Begründung dar, sondern steht selbständig neben den Entscheidungen nach § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 und § 194 Abs. 1 Satz 2 AO 1977.

 

Normenkette

AO 1977 § 195 S. 2; FGO § 102 S. 2; AO 1977 §§ 5, 126 Abs. 2, 2 Nrn. 2, 5, § 193 Abs. 2 Nr. 2, § 194 Abs. 1 S. 2

 

Tenor

1. Die Prüfungsanordnung vom … und die Einspruchsentscheidung vom … werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt das beklagte Finanzamt.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger (Kl) ist von Beruf Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Die Berufstätigkeit übt er als Mitglied einer Sozietät in … aus. Die daraus erzielten Einkünfte im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) werden daher gesondert und einheitlich vom Finanzamt (FA) … festgestellt.

Der Kl hat seinen Wohnsitz in der Gemeinde … die ebenfalls zum Bezirk des FA … gehört. Nach § 1 Nr. 26 der Verordnung des Finanzministeriums Baden-Württemberg zur Übertragung von Aufgaben der Finanzverwaltung auf bestimmte Finanzämter (Finanzämter-Zuständigkeitsverordnung) vom 22. November 1999 (Gesetzblatt von Baden-Württemberg 1999, 687; Bundessteuerblatt –BStBl– I 2000, 351) ist u. a. die allgemeine Außenprüfung (Betriebsprüfung) der freiberuflichen Groß- und Mittelbetriebe dem Finanzamt … für das Finanzamt … übertragen, sowie gleichfalls „der Personen, deren Summe der positiven Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG über 1 Million DM liegt”.

Am … hatte das beklagte FA gegen den Kl die Durchführung einer Außenprüfung angeordnet, die nach gewissen Korrekturen letztlich die Prüfung der Einkommensteuer (ESt) und Umsatzsteuer (USt) 1995 bis 1997 umfasste, wobei unter den Beteiligten Einigkeit darüber bestand, dass die vom Kl aus der Beteiligung an der Sozietät bezogenen Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nicht Gegenstand dieser Prüfung sind. Die Prüfung wurde auf § 193 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) gestützt. Die Prüfungsanordnung wurde bestandskräftig, mit der Prüfung wurde begonnen.

Am … wurde dem Kl eröffnet, dass gegen ihn wegen Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer 1990 bis 1997 das Strafverfahren eingeleitet worden sei.

Ebenfalls am … erweiterte das beklagte FA durch den mit der Klage angefochtenen Verwaltungsakt den Umfang der Außenprüfung auf die ESt, Vermögensteuer (VSt) und USt 1990 bis 1994; auf den Inhalt der Prüfungsanordnung vom … wird Bezug genommen. Der Kl führte am … Einspruch, den die Rechtsbehelfsstelle des beklagten FA mit Entscheidung vom … als unbegründet zurückwies; auf die Gründe der Einspruchsentscheidung wird ebenfalls Bezug genommen.

Der Kl wendet sich mit der am … erhobenen Klage gegen die Erweiterung der Außenprüfung, vor allem mit dem Argument, entgegen der Auffassung des FA mangele es am Vorliegen eines Aufklärungsbedürfnisses im Sinne des § 193 Abs. 2 Nr. 2 AO.

Im Zuge der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung warf das Gericht telefonisch gegenüber den Beteiligten die Frage auf, ob das FA für den Erlass der Prüfungsanordnung vom … örtlich zuständig gewesen sei. Darauf ließ der Kl vortragen, die Summe der positiven Einkünfte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7 EStG habe immer deutlich unter 1 Million DM gelegen, im Jahre 1992 habe die Summe … DM, im Jahre 1993 … DM und im Jahr 1994 … DM betragen.

Am … reichte das FA … einen Schriftsatz ein, auf den samt der Anlage (Schreiben des FA … vom …) Bezug genommen wird.

Die Kl verfolgen weiterhin die Aufhebung der Prüfungsanordnung vom … Zur Begründung tragen sie im wesentlichen vor:

Das beklagte FA … sei zum Erlass der Prüfungsanordnung vom … örtlich unzuständig gewesen. Entgegen der Meinung des FA könne durch die Nachholung des Auftrags nach § 195 Satz 2 AO während des finanzgerichtlichen Verfahrens trotz der erweiterten Heilungsmöglichkeit in § 126 Abs. 2 AO (in der Fassung des Steueränderungsgesetzes –StÄndG– 2001 vom 20. Dezember 2001, Bundesgesetzblatt I S. 3794) nachträglich die Zuständigkeit des FA … zum Erlass der...

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