Entscheidungsstichwort (Thema)

Unentgeltliche Lieferung von beim Betrieb einer Biogasanlage entstehender Wärme als mit dem Teilwert zu bewertende Entnahme. Verkaufspreis als Teilwert der entnommenen Wärme

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die unentgeltliche Abgabe von Wärme aus einer von einer Ehegatten-GbR betriebenen Biogasanlage an den Privathaushalt der Ehegatten ist ertragsteuerlich nach § 4 Abs. 1 S. 2 EStG als Entnahme zu erfassen, die mit dem Teilwert zu bemessen ist.

2. Liefert die GbR gleichzeitig Wärme entgeltlich an einen weiteren Haushalt, entspricht der von diesem Haushalt gezahlte Preis für die Wärmeabgabe dem Teilwert, soweit der Preis sich im Rahmen dessen bewegt, was auf dem – ggf. regionalen – Markt für die Lieferung von Abwärme erzielt werden kann.

3. Die Entnahme von Wärme für den Privathaushalt des Betreibers einer Biogasanlage kann weder auf Basis des durchschnittlichen Fernwärmepreises noch der Selbst- bzw. Reproduktionskosten für die – als Nebenprodukt neben der Stromerzeugung erzeugte – Wärme bewertet werden (vgl. Rspr. zum Entnahme- und Teilwertbegriff).

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 1 Sätze 1-2, § 6 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 1, 3

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 17.03.2021; Aktenzeichen IV R 7/20)

BFH (Urteil vom 12.03.2020; Aktenzeichen IV R 9/17)

 

Tenor

1. Die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2013 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2013 vom 24. September 2015 sowie die Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2014 und über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlusts auf den 31.12.2014 vom 2. Oktober 2015 werden dahingehend geändert, dass die Einkünfte aus Gewerbebetrieb bzw. der Gewerbeertrag unter Berücksichtigung eines Entnahmewerts für die Lieferung von Wärme an den Privathaushalt der Gesellschafter der Klägerin in Höhe von 2,521 Cent je kWh ermittelt werden. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner dem Kläger das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und die Bescheide mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens

3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.

4. Das Urteil ist wegen der der Klägerin zu erstattenden Kosten vorläufig vollstreckbar. Betragen diese nicht mehr als 1.500 EUR, ist dasUrteil hinsichtlich der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann in diesem Fall die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des mit Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Übersteigt der Kostenerstattungsanspruch den Betrag von 1.500 EUR, ist das Urteil wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Erstattungsbetrages vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe des Teilwerts der steuerpflichtigen Entnahme nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) für die unentgeltliche Lieferung von beim Betrieb einer Biogasanlage entstehender Wärme.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), welche seit 2012 ein Blockheizkraftwerk mit Biogasanlage (BHKW) mit einer Maximalleistung von 75 Kilowattstunden (kWh) betreibt. Die beiden Gesellschafter der Klägerin sind Ehegatten.

Mit dem BHKW wird überwiegend die im landwirtschaftlichen Betrieb des Ehemanns anfallende Gülle zu Strom verwertet, welcher seit Dezember 2012 vollständig gegen Entgelt in das öffentliche Stromnetz eingespeist wird. Die beim Betrieb der Biogasanlage anfallende Abwärme wurde in den Streitjahren u.a. zum Beheizen des Wohnhauses der Gesellschafter der Klägerin genutzt. Im Jahr 2013 wurden hierbei 28.433 kWh, im Jahr 2014 36.755 kWh verbraucht.

Daneben liefert die Klägerin Wärme an das in der Nähe gelegene Wohnhaus des Cousins des Ehemanns. Für diese Lieferung berechnete die Klägerin 3 Cent je gelieferter kWh (brutto), was einem Nettoentgelt i.H.v. 2,521 Cent je kWh entspricht.

In den Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2013 vom 18. August 2014 und für 2014 vom 2. Juli 2015 erklärte die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. 60.649,00 EUR (2013) bzw.

–7.435,64 EUR (2014). In den dazu eingereichten Gewin ermittlungen nach § 4 Abs. 3 EStG waren hierbei für die Lieferung von Wärme an das Wohnhaus der Gesellschafter Entnahmewerte wie folgt als Einnahmen berücksichtigt worden (netto):

2013 504,20 EUR (brutto 600,00 EUR)

2014 756,30 EUR (brutto 900,00 EUR).

Diese Werte errechneten sich lt. der beigefügten Erläuterung jeweils aus der Bewertung der Entnahme einer Wärmelieferung von geschätzt 30.000 kWh mit (brutto) 2 Cent/kWh (201...

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