Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der Klageschrift zur Bestimmung des Klägers durch das Finanzgericht. Vorsteuerabzugsrecht einer später als Handelsgesellschaft tätig gewordenen Personengruppe

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Auslegung der Klageschrift zur Bestimmung des Klägers hat das Finanzgericht alle bekannten und erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen. Im Streitfall war die unter der Bezeichnung „X und Y als Grundstücksgemeinschaft” erhobene Klage dahin auszulegen, dass als Kläger die Personenmehrheit X und Y in rechtlicher Verbundenheit als Vorstufe zu der nach dem Streitjahr entstandenen OHG anzusehen war.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ist die in Rechnung gestellte Vorsteuer abzugsfähig, wenn zwar nicht die als Bauherrengemeinschaft (Gesamthands- oder Bruchteilsgemeinschaft) auftretende Personengruppe unternehmerisch tätig wird, dafür aber die einzelnen Gemeinschafter oder Gesellschafter jeder für sich eigene Unternehmen betreiben und im Rahmen der eigenen Unternehmen den gemeinsam hergestellten Gegenstand nutzen wollen. Dieser Rechtsgrundsatz kann auch und gerade auf die Fälle bezogen werden, in denen die hinter einer Bauherrengemeinschaft stehenden Personen schon bei der Errichtung des Gebäudes fest entschlossen waren, die entstehenden Büroräume nach der Fertigstellung von einer aus ihnen noch formell zu gründenden Handelsgesellschaft nutzen zu lassen.

 

Normenkette

UStG 1993 § 15 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1999 § 15 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 65 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 19 Abs. 4; BGB § 133

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 06.09.2007; Aktenzeichen V R 16/06)

BFH (Urteil vom 06.09.2007; Aktenzeichen V R 16/06)

 

Tenor

1. Unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12. Februar 2003 wird der Ablehnungsbescheid vom 9.12.2002 geändert. Die Umsatzsteuer 1998 wird mit – 144,82 Euro, die Umsatzsteuer 1999 mit – 24.749,89 Euro festgesetzt.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Ermöglicht der Kostenfestsetzungsbeschluss eine Vollstreckung im Wert von mehr als 1.500 EUR, hat die Klägerin in Höhe des vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruches Sicherheit zu leisten. Bei einem vollstreckbaren Kostenerstattungsanspruch bis zur Höhe von 1.500 EUR kann der Beklagte der vorläufigen Vollstreckung widersprechen, wenn die Klägerin nicht zuvor in Höhe des vollstreckbaren Kostenanspruchs Sicherheit geleistet hat, §§ 151 FGO i.V.m. 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.

4. Die Revision wird zugelassen.

Anschrift: Finanzgericht Baden-Württemberg – Außensenate Karlsruhe –, Postfach 10 01 08, 76231 Karlsruhe

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Fernsprecher: 0721 926 3592, Fax: 926 3559, E-Mail: Poststelle@FGKarlsruhe.justiz.bwl.de

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Tatbestand

Streitig ist die Abzugsfähigkeit der Vorsteuer aus der Errichtung eines Bürotraktes.

Mit Kaufvertrag vom 15.06.1998 erwarben Frau Z und Herr S jeweils zur Hälfte das bebaute Grundstück „T-Str., in B”. Nach Abriss der bestehenden Gebäude errichteten sie auf dem Grundstück einen Neubau, der sowohl privat genutzte Flächen als auch rein betriebliche Flächen enthält. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der betrieblich genutzte Teil 24,02 % beträgt. Auch sind die auf den betrieblich genutzten Teil entfallenden Vorsteuerbeträge zwischen den Beteiligten unstreitig geworden. Die betriebliche Nutzung erfolgte von der Fertigstellung an durch die G-OHG, deren Gesellschafter Frau Z und Herr S zu gleichen Teilen sind. Die Grundstückseigentümer überließen die Büroräume unentgeltlich an die OHG.

Frau Z hatte 1998 die Einzelfirma G gegründet, die internationale Beratungsleistungen erbringt. Frau Z und Herr S hatten aber von Anfang an die Absicht, die Geschäftstätigkeit gemeinsam auszuüben. Dies war jedoch zunächst aufgrund der Ministertätigkeit von Herrn S nicht möglich. Erst nachdem Herr S sein Ministeramt nicht mehr ausübte, konnten im Gesellschaftsvertrag vom 13.01.2000 die rechtlichen Rahmenbedingungen für die G-OHG schriftlich festgelegt werden. Die Eintragung der Gesellschaft im Handelsregister H erfolgte am 06.04.2000. Die G-OHG ist seit dem 1.01.2000 aktiv tätig.

In den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre wurden unter der Bezeichnung „Grundstücksgemeinschaft Z und S” die Vorsteuern aus der Errichtung des betrieblichen Teils des Neubaus geltend gemacht. Mit Schreiben vom 14.5.2002 gab der steuerliche Berater hierzu an, die Bauherrengemeinschaft bestehend aus Frau Z und Herrn S tätige keine Geschäfte und sei kein umsatzsteuerliches Unternehmen. Das umsatzsteuerliche Unternehmen sei der hinter der Bauherrengemeinschaft stehenden Personengruppe bestehend aus Frau Z und Herrn S zuzuordnen.

Im Rahmen einer bei der OHG durchgeführten Außenprüfung beanstandete der Prüfer auch den Abzug der Vorsteuern bei der „Grundstücksgemeinschaft”. Nach nachträglichem Erlass einer Prüfungsanordnung vertrat er im Prüfungsbericht die Auffassung, dass die Vor...

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