Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufliche Veranlassung eines Umzugs bei wesentlicher Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei einem Ehegatten und Verlängerung des Arbeitsweges bei dem anderen Ehegatten. Einkommensteuer 1998

 

Leitsatz (redaktionell)

Umzugskosten können auch dann beruflich veranlasst sein, wenn sich für den einen Ehegatten die tägliche Fahrzeit zur Arbeitsstätte verlängert, für den anderen nach dem Erziehungsurlaub wieder als Arzt in einem Krankenhaus tätigen Ehegatten zwar nicht um mindestens eine Stunde, aber doch so verkürzt, dass die Fahrzeitersparnis und die Gewährleistung der jederzeitigen Verfügbarkeit für Bereitschaftsdienste zu einer sonstigen allgemeinen Verbesserung der Arbeitsbedingungen führt. Dem steht nicht entgegen, dass sich zugleich die Berufstätigkeit besser mit familiären Belangen vereinbaren lässt.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 1, § 12 Nr. 1

 

Tenor

1. Der Einkommensteuerbescheid für 1998 vom 29. Juni 1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2000 wird dahingehend abgeändert, dass die geltend gemachten Umzugskosten von 10.722,30 DM als zusätzliche Werbungskosten der Klägerin zu 1 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zugrunde gelegt werden. Dem Beklagten wird aufgegeben, die geänderte Steuerfestsetzung nach Maßgabe der Urteilsgründe zu errechnen, ferner den Klägern das Ergebnis dieser Berechnung unverzüglich mitzuteilen und mit dem geänderten Inhalt nach Rechtskraft dieses Urteils neu bekannt zu geben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Kläger (Kl.) sind Eheleute, die im Streitjahr 1998 gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt worden sind. Der Kl. zu 2 war damals als Diplom-Ingenieur im … tätig. Die Kl. zu 1 arbeitete zunächst halbtags als Ärztin (Anästhesistin) im Kreiskrankenhaus … befand sich aber wegen der Geburt ihres zweiten Kindes am 01. Oktober 1998 von Mitte August 1998 an in Mutterschutz und danach bis Ende 1999 im Erziehungsurlaub. Die Eheleute, die bis dahin in der … in … wohnten, erwarben am am 20. September 1998 eine Doppelhaushälfte im … in … und verkauften am 30. September 1998 ihre Eigentumswohnung in … Beide Wohnungen haben eine ungefähr gleiche Wohnfläche. Mitte Dezember zogen die Kläger nach … um. Die Entfernung zur Arbeitsstätte des Kl. zu 2 verlängerte sich hierdurch von 20 auf 32 Kilometer, während sich die Entfernung zur Arbeitsstätte der seit Anfang 2000 wieder in ihrer bisherigen Stelle berufstätigen Kl. zu 1 von 18 auf 2 Kilometer verkürzte.

Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung machten die Kl. Umzugskosten in Höhe von 10.622 DM und – unter Hinweis darauf, dass die Kl. zu 1 ihre Erwerbstätigkeit vorübergehend nicht ausübe – Kosten für ein zu Fortbildungszwecken genutztes häusliches Arbeitszimmer als (vorweggenommene) Werbungskosten der Kl. zu 1 geltend. Mit dem Umzug ergebe sich eine erhebliche Verkürzung der Fahrzeit um eine Stunde oder mehr. Davor habe die Fahrzeit vom Verlassen der Wohnung bis zur Ankunft auf dem Parkplatz des Arbeitgebers und umgekehrt 50 bis 70 Minuten betragen, während die Kl. zu 1 nach dem Umzug von der Wohnung zum Parkplatz und umgekehrt maximal 10 Minuten benötige. Außerdem sei die Arbeitsstätte nunmehr zu Fuß erreichbar. Zudem lägen wesentlich günstigere Verkehrsverhältnisse vor. Die bisherige Strecke sei bei schlechten Witterungsverhältnissen, zumal bei Dunkelheit, schwierig zu befahren gewesen. Jetzt müssten nur zwei Kilometer ohne Berührung des Stadtkerns zurückgelegt werden. Ergänzend wiesen die Kl. mit Schriftsatz vom 10. April 1999 darauf hin, dass sich die Fahrzeit zwischen mindestens 40 und mindestens 60 Minuten verkürze und die Verkürzung somit zeitweise mehr als eine Stunde betrage. In Ausnahmefällen (Schnee und Eis, Sperrung von Straßen wegen Sturmschäden) sei die Verkürzung sogar deutlich größer. Aus beruflichen Gründen müsse bei Nacht-Bereitschaftsdiensten nach normaler Halbtagstätigkeit der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mehrmals am Tag zurückgelegt werden.

Mit Einkommensteuerbescheid vom 28. Mai 1999 setzte der Beklagte (Bekl.) die Einkommensteuer der Kl. für 1998 auf 19.132 DM fest. Die Umzugskosten wurden dabei nicht als Werbungskosten anerkannt.

Die Kl. erhoben hiergegen am 11. Juni 1999 Einspruch. Zur Begründung wiederholten sie im Wesentlichen ihren oben dargestellten Vortrag. Außerdem wurden für die Arbeitszimmer höhere Werbungskosten geltend gemacht als der Bekl. angesetzt hatte.

Der Bekl. verringerte die festgesetzte Einkommensteuer mit seinem auf der Grundlage des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) ergangenen Änderungsbescheid vom 29. Juni 1999 auf 18.883 DM und half damit dem Einspruch, soweit er die Werbungskosten für die Arbeitszimmer betraf, ab.

Mit Einspruchsentscheidung vom 19. Januar 2000 wies der Bekl. den Einspruch gegen den Bescheid vom 28. Juni 1999 als unbegründet zurück. Im Streitfall habe die Kl. zu 1 den Mittelpunkt ihrer beruflichen Arbeit im häuslichen Arbeitszimmer gehabt. So...

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