Entscheidungsstichwort (Thema)

Anspruch auf Kindergeld für Übergangszeit zwischen Studium und freiwilligem sozialen Jahr

 

Leitsatz (amtlich)

Kindergeld für die Zeit nach Abbruch eines Studiums und Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres ist auch dann zu gewähren, wenn diese Übergangszeit mehr als vier Monate beträgt, weil das Kind das soziale Jahr mangels freier Stelle nicht beginnen konnte.

 

Normenkette

EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. c

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 15.07.2003; Aktenzeichen VIII R 75/00)

 

Tenor

1. Der Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 20. Juli 1998 und der Änderungsbescheid hierzu vom 30. November 1998 werden aufgehoben.

2. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich der Kostenentscheidung ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar; der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob Anspruch auf Kindergeld besteht für eine Übergangszeit zwischen Studium und Ableistung eines Sozialjahres.

Die Tochter des Klägers, geboren 1976, hat ihre Schulzeit im Sommer 1996 beendet und anschließend ein Studium an der Fachhochschule begonnen. Dieses Studium brach sie mit Ablauf des Wintersemesters 1996/97 Ende Februar 1997 ab.

Am 27. Februar 1997 bewarb sich die Tochter des Klägers beim Diakonischen Werk für ein Diakonisches Jahr in Dänemark. Im März 1997 nahm sie an einem Auswahlwochenende in teil und entschied sich am 24. März 1997 für die Teilnahme am Diakonischen Jahr in Dänemark. Dieses Jahr leistete sie vom 08. September 1997 bis zum 30. Mai 1998 ab. Dabei handelte es sich unstreitig um die Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. dem Gesetz zur Förderung eines freiwilligen sozialen Jahres.

Mit dem Wintersemester 1998/99 begann die Tochter ein Studium an der Universität.

Mit Bescheid vom 20. Juli 1998 hob das Arbeitsamt die Festsetzung des Kindergeldes für die Tochter für die Monate März bis August 1997 nach § 70 Abs. 2 EStG auf. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Mit Bescheid vom 30. November 1998 änderte das Arbeitsamt den Aufhebungsbescheid dahin, daß es die Festsetzung des Kindergeldes für die Monate April bis August 1997 aufhob.

Den Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid wies das Arbeitsamt mit Einspruchsentscheidung vom 07. Dezember 1998 zurück. Zur Begründung führte es aus, nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG bestehe für ein noch nicht 27 Jahre altes Kind auch dann Anspruch auf Kindergeld, wenn es sich in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von höchstens 4 Monaten befinde. Hierbei seien Übergangszeiten gleich zu achten auch Zwangspausen vor und nach der Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres, sofern im Anschluß daran eine Ausbildung aufgenommen oder fortgesetzt werden solle. Die Zwangspause müsse jedoch innerhalb des zeitlichen Rahmens von 4 Monaten liegen, um als Übergangszeit im Sinn des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG anerkannt zu werden. Das Kind habe ihr Studium ab dem 01. März 1997 abgebrochen und das freiwillige soziale Jahr erst am 01. September 1997 angetreten. Der Zeitraum zwischen dem Abbruch des Studiums und der Teilnahme am freiwilligen sozialen Jahr liege nicht innerhalb des zeitlichen Rahmens von 4 Monaten und könne daher auch nicht als Übergangszeit anerkannt werden. Auch die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c EStG lägen nicht vor. Das Kind habe sich zwar neben ihrer Bewerbung für die Teilnahme am freiwilligen sozialen Jahr alternative Informationen zu Studien- und Berufswünschen eingeholt, tatsächlich jedoch habe sie sich bereits am 24. März 1997 definitiv für die Teilnahme am freiwilligen sozialen Jahr in Dänemark entschieden. Die Entscheidung des Kindes für die Teilnahme am freiwilligen sozialen Jahr habe u. a. auch dazu geführt, daß eigene Bemühungen des Kindes, zum frühest möglichen Zeitpunkt einen Ausbildungs- oder Studienplatz zu erlangen, nicht mehr notwendig gewesen seien.

Mit der Klage macht der Kläger geltend, die Voraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d EStG (Ableistung eines freiwilligen sozialen Jahres) hätten auch für die Monate April bis August 1997 vorgelegen. Nach dieser Vorschrift sei ein Kind, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen könne, unabhängig von der Dauer der Übergangs- oder Wartezeit berücksichtigungsfähig. Bei einem Kind, das sich erfolgreich um einen Ausbildungsplatz bemüht habe, insgesamt jedoch über einen Zeitraum von weit mehr als 4 Monaten ohne Ausbildungsplatz gewesen sei, lägen die Voraussetzungen für die Gewährung von Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c EStG vor. Nach einer systematischen Auslegung der Vorschriften des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchstaben ...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Haufe Finance Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge