Leitsatz

1. Liegen die Voraussetzungen für eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) und für eine Feststellung der steuerfreien, dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte (§ 180 Abs. 5 Nr. 1 AO) vor, können beide Feststellungen miteinander verbunden werden. Eine Nachholung der Feststellung gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO ist auch während des finanzgerichtlichen Verfahrens möglich.

2. Die konkrete Höhe der in einer deutschen Betriebsstätte erzielten Einnahmen sowie der Umstand, dass keine Aufzeichnungen vorhanden sind, die eine direkte Zuordnung von Einnahmen und Ausgaben einerseits zu der deutschen und anderseits zu der ausländischen Betriebsstätte ermöglichen, sind im Zusammenhang mit der gesonderten und einheitlichen Feststellung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte Tatsachen i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.

3. Verletzt das FA seine Aufklärungspflicht und der Steuerpflichtige die ihm obliegende Mitwirkungspflicht, steht der Änderung des Steuerbescheides gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO der Grundsatz von Treu und Glauben nur dann entgegen, wenn der Verstoß des FA die Pflichtverletzung des Steuerpflichtigen deutlich überwiegt.

 

Normenkette

§ 173 Abs. 1 Nr. 1, § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO, § 60 Abs. 3, § 48 Abs. 1 Nrn. 1 und 5 FGO

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GbR. Sie betrieb im Streitjahr ein Ingenieurbüro für technische Übersetzung im Inland und hatte eine Betriebsstätte in Spanien. Den Gewinn ermittelte sie separat nach deutschem und spanischem Steuerrecht.

In ihrer Feststellungserklärung gab sie die in der spanischen Betriebsstätte erzielten Einkünfte nicht an. Sie fügte ihrer Gewinnermittlung eine Erklärung ihrer Steuerberaterin bei, dass der Gewinn der Betriebsstätte in Spanien zu versteuern sei.

Nach einer Außenprüfung erließ das FA einen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Feststellungsbescheid, in dem sowohl die deutschen als auch die ausländischen Einkünfte der Klägerin als gewerblich qualifiziert wurden. Es stellte in dem Bescheid zudem fest, dass die ausländischen Einkünfte aus Spanien nach § 34c Abs. 1 EStG zu berücksichtigen seien.

In der Einspruchsentscheidung stellte das FA gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO fest, dass nach dem DBA die Einkünfte der Klägerin aus der Betriebsstätte steuerfrei seien, jedoch dem Progressionsvorbehalt unterliegen würden.

Das FG (FG Köln, Urteil vom 24.10.2012, 15 K 883/10, Haufe-Index 5337199, EFG 2013, 1731) hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen.

 

Entscheidung

Der BFH hat die Revision aus den in den Praxis-Hinweisen ausgeführten Gründen als unbegründet zurückgewiesen.

 

Hinweis

1. Nach Auffassung des BFH wurde mit der Klage sowohl die Qualifizierung der Einkünfte als gewerblich als auch die Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO angefochten. Dabei handelt es sich um die Feststellung, dass die Einkünfte der Klägerin aus der spanischen Betriebsstätte dem Progressionsvorbehalt unterliegen.

2. Zu Recht hat das FG die Gesellschafter der Klägerin nicht zum finanzgerichtlichen Verfahren beigeladen. Klagebefugt war nach § 48 Abs. 1 Nr. 1 FGO allein die GbR, da die Qualifikation und die Höhe der gemeinschaftlich erzielten Einkünfte streitig waren.

3. Das FA konnte den Feststellungsbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO ändern.

Ihm war erst nachträglich bekannt geworden, dass die Klägerin ihre Einnahmen und Ausgaben in der Betriebsstätte in Spanien nicht gesondert aufgezeichnet hatte. Bei rechtzeitiger Kenntnis der konkreten Höhe dieser Einkünfte hätte das FA die dem Progressionsvorbehalt unterliegenden Einkünfte und die im Inland zu versteuernden Einkünfte abweichend von der Erklärung der Klägerin festgestellt.

Zudem war dem FA nicht bekannt, dass die Klägerin in erheblichem Umfang Fremdleistungen von Übersetzern in Anspruch nahm.

Dies führte zu einer Umqualifizierung der Einkünfte der Klägerin in Einkünfte aus Gewerbebetrieb (s. hierzu BFH, Urteil vom 21.2.2017, VIII R 45/13, BFH/PR 2017, 292).

4. Der Grundsatz von Treu und Glauben stand einer Änderung des Feststellungsbescheids nach § 173 AO nicht entgegen.

Die Klägerin hatte ihre Mitwirkungspflicht dadurch verletzt, dass sie die Einkünfte aus der spanischen Betriebsstätte nicht in der Anlage AUS in korrekter Höhe erklärte. Sie ließ das FA zudem in Unkenntnis über den Umfang der in Anspruch genommenen Fremdleistungen bei der Übersetzungstätigkeit ihrer Gesellschafter.

Dies überwog die Pflichtverletzung des FA, das den Sachverhalt vor dem Erlass des Feststellungsbescheids besser hätte aufklären können.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 21.02.2017 – VIII R 46/13

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