Entscheidungsstichwort (Thema)

Externes gemeinschaftliches Versandverfahren, Entfernung des Versandscheins T1, Entziehung aus der zollamtlichen Überwachung, Entstehung einer Einfuhrzollschuld

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die zeitweilige Entfernung des Versandscheins T1 von der Ware, auf die er sich bezieht, verhindert es, dass er auf Verlangen der Zollstellen vorgelegt werden kann, und stellt damit eine Entziehung dieser Ware aus der zollamtlichen Überwachung im Sinne von Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe c der Verordnung (EWG) Nr. 2144/87 des Rates vom 13. Juli 1987 über die Zollschuld dar, auch wenn die Zollverwaltung zu keinem Zeitpunkt die Vorlage des Versandscheins verlangt oder festgestellt hat, dass er ihr nicht ohne nennenswerte Verzögerung hätte vorgelegt werden können.

2. Der Umstand, dass die Zuwiderhandlungen gegen das gemeinschaftliche Versandverfahren auf das Verhalten eines als verdeckter Ermittler tätig gewordenen Zollfahndungsbeamten zurückgehen, stellen einen besonderen Umstand im Sinne des Artikels 3 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr.1430/79 des Rates vom 2. Juli 1979 über die Erstattung oder den Erlass von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben in der Fassung der Verordnung (EWG) Nr. 3069/86 des Rates vom 7. Oktober 1986 dar, der gegebenenfalls den Erlass oder die Erstattung der vom Hauptverpflichteten gezahlten Abgaben rechtfertigt, sofern ihm keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann.

3. Eine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit der Personen, deren sich der Hauptverpflichtete bedient hat, um Pflichten zu erfüllen, die er im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren übernommen hat, schließt als solche die Erstattung der Abgaben, die durch die Entziehung der in dieses Verfahren überführten Waren aus der zollamtlichen Überwachung entstanden sind, an ihn nicht aus, soweit ihm keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann.

 

Normenkette

EWGV 2144/87 Art. 2 Abs. 1 Buchst. c; EWGV 1430/79 Art. 3 Abs. 1

 

Beteiligte

British American Tobacco Manufacturing

British American Tobacco Manufactoring BV

Hauptzollamt Krefeld

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 24.04.2001; Aktenzeichen VII R 1/00; BFH/NV 2001, 1093)

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 30.08.2005; Aktenzeichen VII R 1/00)

 

Tatbestand

"Freier Warenverkehr - Externes gemeinschaftliches Versandverfahren - Vorübergehende Entfernung der Versand- und Frachtpapiere - Bruch des Zollverschlusses und teilweise Entladung der Ware - Entziehung der Ware aus der zollamtlichen Überwachung - Entstehung einer Einfuhrzollschuld - Unerkannte Anwesenheit verdeckter, für die Zollbehörden tätiger Ermittler - Den Erlass oder die Erstattung der Einfuhrabgaben rechtfertigende besondere Umstände - Haftung des Hauptverpflichteten im Fall einer betrügerischen Absicht oder eines offensichtlich fahrlässigen Verhaltens von Personen, deren sich der Hauptverpflichtete bedient"

In der Rechtssache C-222/01

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 234 EG vom Bundesfinanzhof (Deutschland) in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

British American Tobacco Manufacturing BV

gegen

Hauptzollamt Krefeld

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung des Gemeinschaftsrechts über die Entstehung, den Erlass oder die Erstattung einer Zollschuld

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer),

unter Mitwirkung des Richters C.W.A. Timmermans (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Fünften Kammer sowie der Richter A. La Pergola und S. von Bahr,

Generalanwalt: A. Tizzano,Kanzler: M.-F. Contet, Hauptverwaltungsrätin,

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen:

-

der British American Tobacco Manufacturing BV, vertreten durch H. Glashoff, Steuerberater,

-

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J.-C. Schieferer als Bevollmächtigten,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der British American Tobacco Manufacturing BV und der Kommission in der Sitzung vom 6. Februar 2003,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts vom 26. Juni 2003,

folgendes

Urteil

1

Mit Beschluss vom 24. April 2001, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Juni 2001, hat der Bundesgerichtshof gemäß Artikel 234 EG drei Fragen nach der Auslegung des Gemeinschaftsrechts über die Entstehung, den Erlass oder die Erstattung einer Zollschuld zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2

Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen der British American Tobacco Manufacturing BV (im Folgenden: BAT) und dem Hauptzollamt Krefeld (im Folgenden: Hauptzollamt) betreffend dessen Weigerung, dem von BAT gestellten Antrag auf Erstattung der wegen angeblicher Zuwiderhandlungen gegen das gemeinschaftliche Versandverfahren erhobenen Verbrauchsteuern stattzugeben.

Gemeinschaftsrecht

Die Vorschriften über das gemeinschaftliche Versandverfahren

3

Die Verordnung (EWG) Nr. 222/77 des Rates vom 13. Dezember 1976 über das gemeinschaftliche Versandverfahren (ABl. 1977, L38, S.1),...

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