Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung, Bildungsleistungen, Bildungseinrichtung mit privatrechtlichem Charakter, Bildungseinrichtung mit Gewinnerzielungsabsicht, Vorsteuerabzug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, 133 und 134 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass sie einer Mehrwertsteuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen, die von nicht öffentlichen Einrichtungen zu gewerblichen Zwecken erbracht werden, nicht entgegenstehen. Art. 132 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie untersagt jedoch, allgemein sämtliche Bildungsdienstleistungen zu befreien, ohne dass die Zielsetzung nicht öffentlicher Einrichtungen, die diese Leistungen erbringen, berücksichtigt wird.

2. Ein Steuerpflichtiger kann nicht gemäß Art. 168 der Richtlinie 2006/112 oder der zur Umsetzung dieses Artikels erlassenen nationalen Bestimmung ein Recht auf Abzug der auf der Eingangsstufe entrichteten Mehrwertsteuer in Anspruch nehmen, wenn seine auf der Ausgangsstufe erbrachten Bildungsdienstleistungen aufgrund einer im nationalen Recht unter Verstoß gegen Art. 132 Abs. 1 Buchst. i dieser Richtlinie vorgesehenen Befreiung nicht der Mehrwertsteuer unterliegen.

Der Steuerpflichtige kann sich jedoch auf die Unvereinbarkeit der Befreiung mit Art. 132 Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 2006/112 berufen, damit sie nicht auf ihn angewandt wird, wenn er ‐ selbst unter Berücksichtigung des Ermessensspielraums, den diese Bestimmung den Mitgliedstaaten einräumt ‐ nicht objektiv als Einrichtung angesehen werden kann, deren Zielsetzung im Sinne der genannten Bestimmung mit der einer Bildungseinrichtung des öffentlichen Rechts vergleichbar ist, was zu prüfen Sache des nationalen Gerichts ist.

Im letzteren Fall unterliegen die Bildungsdienstleistungen des Steuerpflichtigen der Mehrwertsteuer, und er kann daher das Recht auf Abzug der auf der Eingangsstufe entrichteten Mehrwertsteuer in Anspruch nehmen.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, Art. 133-134

 

Beteiligte

MDDP

Minister Finansów

MDDP sp. z o.o. Akademia Biznesu, sp. Komandytowa

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Urteil vom 27.04.2012; ABl. EU 2012, Nr. C 287/21)

 

Tatbestand

„Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 132 bis 134 und 168 ‐ Befreiungen ‐ Von Einrichtungen des Privatrechts in Gewinnerzielungsabsicht erbrachte Bildungsleistungen ‐ Recht auf Vorsteuerabzug“

In der Rechtssache C-319/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) mit Entscheidung vom 27. April 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Juli 2012, in dem Verfahren

Minister Finansów

gegen

MDDP sp. z o.o. Akademia Biznesu, sp. komandytowa

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič, der Richter C. G. Fernlund (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Mai 2013,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Minister Finansów, vertreten durch J. Kaute und T. Tratkiewicz als Bevollmächtigte,

‐ der MDDP sp. z o.o. Akademia Biznesu, sp. komandytowa, vertreten durch T. Michalik als Berater,

‐ der polnischen Regierung, vertreten durch A. Kraińska, A. Kramarczyk, B. Majczyna und M. Szpunar als Bevollmächtigte,

‐ der griechischen Regierung, vertreten durch I. Pouli und M. Tassopoulou als Bevollmächtigte,

‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes und R. Laires als Bevollmächtigte,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch L. Christie als Bevollmächtigten im Beistand von P. Mantle, Barrister,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Herrmann und L. Lozano Palacios als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 20. Juni 2013

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, Art. 133 Abs. 1 Buchst. a bis d, Art. 134 und Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Minister Finansów (Finanzminister, im Folgenden: Minister) und der MDDP sp. z o.o. Akademia Biznesu, sp. komandytowa (im Folgenden: MDDP) über die Mehrwertsteuerbefreiung für Bildungsdienstleistungen, die von nicht öffentlichen Einrichtungen zu gewerblichen Zwecken erbracht werden.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 132 Abs. 1 Buchst. i, l, m und q der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

“(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

i) Erziehung von Kindern und Jugendlichen, Schul- und Hochschulunterricht, Aus- und Fortbildung sowie berufliche Umschulung und damit eng verbundene Dienstleistungen und L...

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