Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuerbefreiung, Arbeitnehmereinkünfte bei Auslandstätigkeiten, Progressionsvorbehalt, DBA Dänemark, Tätigkeit für einen dänischen Arbeitgeber auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 45 AEUV ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach Einkünfte einer in diesem Mitgliedstaat wohnhaften und unbeschränkt steuerpflichtigen Person aus einer nichtselbständigen Tätigkeit von der Einkommensteuer befreit sind, wenn der Arbeitgeber seinen Sitz in diesem Mitgliedstaat hat, aber nicht, wenn er seinen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hat.

 

Normenkette

AEUV Art. 45

 

Beteiligte

Petersen

Helga Petersen und Peter Petersen

Finanzamt Ludwigshafen

 

Verfahrensgang

FG Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 18.03.2011; Aktenzeichen 4 K 2249/08; EFG 2012, 131)

 

Tatbestand

„Freier Dienstleistungsverkehr ‐ Freizügigkeit der Arbeitnehmer ‐ Regelung eines Mitgliedstaats, die es gestattet, die Einkünfte aufgrund von Auslandstätigkeiten im Rahmen der Entwicklungshilfe von der Steuer zu befreien ‐ Voraussetzungen ‐ Sitz des Arbeitgebers im Inland ‐ Versagung, wenn der Arbeitgeber im Ausland ansässig ist“

In der Rechtssache C-544/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Rheinland-Pfalz (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. März 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Oktober 2011, in dem Verfahren

Helga Petersen,

Peter Petersen

gegen

Finanzamt Ludwigshafen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Tizzano, der Richterin M. Berger sowie der Richter A. Borg Barthet, E. Levits (Berichterstatter) und J.-J. Kasel,

Generalanwalt: N. Jääskinen,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 29. November 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Frau Petersen und Herrn Petersen, vertreten durch Rechtsanwalt R. Sturm,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und W. Roels als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 AEUV.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Frau und Herrn Petersen einerseits und dem Finanzamt Ludwigshafen andererseits wegen der Weigerung des Finanzamts, eine Einkommensteuerbefreiung für die Einkünfte von Herrn Petersen aus Tätigkeiten zu gewähren, die er im Rahmen eines von der Danish International Development Agency (Dänische Agentur für internationale Entwicklung, im Folgenden: DANIDA) finanzierten Entwicklungshilfeprojekts in Benin ausgeübt hat.

Rechtlicher Rahmen

Rz. 3

Nach § 1 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung (BGBl. 2002 I S. 4215) sind natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, unbeschränkt einkommensteuerpflichtig.

Rz. 4

Art. 34c Abs. 1 und 5 EStG bestimmt:

„(1) Bei unbeschränkt Steuerpflichtigen, die mit ausländischen Einkünften in dem Staat, aus dem die Einkünfte stammen, zu einer der deutschen Einkommensteuer entsprechenden Steuer herangezogen werden, ist die festgesetzte und gezahlte und um einen entstandenen Ermäßigungsanspruch gekürzte ausländische Steuer auf die deutsche Einkommensteuer anzurechnen, die auf die Einkünfte aus diesem Staat entfällt;

(5) Die obersten Finanzbehörden der Länder oder die von ihnen beauftragten Finanzbehörden können mit Zustimmung des Bundesministeriums der Finanzen die auf ausländische Einkünfte entfallende deutsche Einkommensteuer ganz oder zum Teil erlassen oder in einem Pauschbetrag festsetzen, wenn es aus volkswirtschaftlichen Gründen zweckmäßig ist oder die Anwendung des Absatzes 1 besonders schwierig ist.“

Rz. 5

Das Bundesministerium der Finanzen gab am 31. Oktober 1983 einen Erlass über die steuerliche Behandlung von Arbeitnehmereinkünften bei Auslandstätigkeiten (BStBl. 1983 I S. 470, im Folgenden: Auslandstätigkeitserlass) heraus, der sich an die obersten Finanzbehörden der Länder wendet und vorsieht, dass bei Arbeitnehmern eines inländischen Arbeitgebers von der Besteuerung des Arbeitslohns abgesehen wird, den der Arbeitnehmer aufgrund eines gegenwärtigen Dienstverhältnisses für eine begünstigte Tätigkeit im Ausland erhält.

Rz. 6

Nach Abschnitt I Nr. 4 dieses Erlasses gehören zur Kategorie der von der besagten Regelung begünstigten Tätigkeiten u. a. die Tätigkeiten für einen inländischen Lieferanten, Hersteller oder Auftragnehmer im Zusammenhang mit der deutschen öffentlichen Entwicklungshilfe im Rahmen der Technischen oder Finanziellen Zusammenarbeit.

Rz. 7

Gemäß Abschnitt II Abs. 1 des Auslandstätigkeitserlasses muss die Tätigkeit mindestens drei Monate ununterbrochen in Staaten ausgeü...

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