Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Steuerbefreiungen. Ärztliche und arztähnliche Berufe. Chiropraktik und Osteopathie. Arzneimittel und Medizinprodukte. Ermäßigter Steuersatz. Lieferung im Rahmen von Eingriffen oder Behandlungen zu therapeutischen Zwecken. Normalsatz. Lieferung im Rahmen von Eingriffen oder Behandlungen zu ästhetischen Zwecken. Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Aufrechterhaltung der Wirkungen einer mit dem Unionsrecht unvereinbaren nationalen Regelung

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. c, Art. 98

 

Beteiligte

Belgisch Syndicaat van Chiropraxie u.a

Belgisch Syndicaat van Chiropraxie und Bart Vandendries

Belgische Unie van Osteopaten u. a

Plast.Surg. BVBA u. a

Belgian Society for Private Clinics VZW u. a

Ministerraad

 

Verfahrensgang

Grondwettelijk Hof (Belgien) (Beschluss vom 28.09.2017; ABl. EU 2018 Nr. C 22/19)

 

Tenor

1. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er die Anwendung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Steuerbefreiung nicht auf Leistungen beschränkt, die von Angehörigen eines durch das Recht des betreffenden Mitgliedstaats reglementierten ärztlichen oder arztähnlichen Berufs erbracht werden.

2. Art. 98 der Richtlinie 2006/112 in Verbindung mit Anhang III Nrn. 3 und 4 dieser Richtlinie ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die eine Ungleichbehandlung zwischen einerseits Arzneimitteln und Medizinprodukten, die im Rahmen von Eingriffen oder Behandlungen zu therapeutischen Zwecken geliefert werden, und andererseits Arzneimitteln und Medizinprodukten, die im Rahmen von Eingriffen oder Behandlungen zu ästhetischen Zwecken geliefert werden, vorsieht, indem sie letztere Arzneimittel und Medizinprodukte von dem für erstere geltenden ermäßigten Mehrwertsteuersatz ausschließt, nicht entgegensteht.

3. Unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens hat ein nationales Gericht nicht das Recht, eine nationale Vorschrift anzuwenden, die es dazu ermächtigt, bestimmte Wirkungen eines für nichtig erklärten Rechtsakts aufrechtzuerhalten, um die Wirkung nationaler Vorschriften, die es für mit der Richtlinie 2006/112 unvereinbar erklärt hat, bis zur Herstellung ihrer Vereinbarkeit mit dieser Richtlinie vorläufig bestehen zu lassen, um zum einen die sich aus der Rückwirkung dieser Nichtigerklärung ergebenden Risiken der Rechtsunsicherheit zu beschränken und zum anderen zu verhindern, dass wieder eine diesen Vorschriften vorausgehende nationale Regelung gilt, die mit dieser Richtlinie unvereinbar ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Grondwettelijk Hof (Verfassungsgerichtshof, Belgien) mit Entscheidung vom 28. September 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 16. Oktober 2017, in dem Verfahren

Belgisch Syndicaat van Chiropraxie und Bart Vandendries,

Belgische Unie van Osteopaten u. a.,

Plast.Surg. BVBA u. a.,

Belgian Society for Private Clinics VZW u. a.

gegen

Ministerraad

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin C. Toader sowie der Richter L. Bay Larsen (Berichterstatter) und M. Safjan,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Belgisch Syndicaat van Chiropraxie und von Bart Vandendries, vertreten durch E. Maes und M. Denef, advocaten,
  • der Belgische Unie van Osteopaten u. a., vertreten durch B. Hermans und J. Bosquet, advocaten, sowie H. Van den Keybus, avocate,
  • der Plast.Surg. BVBA u. a., vertreten durch T. De Gendt, advocaat,
  • der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux, P. Cottin und C. Pochet als Bevollmächtigte,
  • der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas, E. de Moustier und A. Alidière als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Jokubauskaite und P. Vanden Heede als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 98, Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, c und e, Art. 134 und Anhang III Nrn. 3 und 4 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Belgisch Syndicaat van Chiropraxie und Bart Vandendries, der Belgische Unie van Osteopaten u. a., der Plast.Surg. BVBA u. a. und der Belgian Society for Private Clinics VZW u. a. auf der einen Seite und dem Ministerraad (Ministerrat, Belgien) auf der anderen Seite über einen Antrag auf Nichtigerklärung belgischer Rechtsvorschriften über die Modalitäten der Anwendung der Mehrwertsteuer auf Heilbehandlungen sowie auf Lieferungen von Arzneimitteln und Medizinprodukten.

Rechtlicher Rahmen

Richt...

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