Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Gesellschaftsrecht. Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen. Bei der Berechnung der Mitarbeiterzahlen und der finanziellen Schwellenwerte berücksichtigte Unternehmenstypen. Verbundene Unternehmen. Begriff ‚gemeinsam handelnde Gruppe natürlicher Personen’

 

Normenkette

Empfehlung 2003/361/EG

 

Beteiligte

HaTeFo GmbH

Finanzamt Haldensleben

 

Tenor

Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen ist dahin auszulegen, dass Unternehmen als „verbunden” im Sinne dieses Artikels angesehen werden können, wenn die Prüfung der zwischen ihnen bestehenden rechtlichen und wirtschaftlichen Beziehungen ergibt, dass sie, vermittels einer natürlichen Person oder einer gemeinsam handelnden Gruppe natürlicher Personen, eine einzige wirtschaftliche Einheit bilden, auch wenn sie formal nicht in einer der in Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 1 des Anhangs aufgeführten Beziehungen zueinander stehen.

Als gemeinsam handelnd im Sinne von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs sind natürliche Personen anzusehen, wenn sie sich abstimmen, um Einfluss auf die geschäftlichen Entscheidungen der betreffenden Unternehmen auszuüben, so dass diese Unternehmen nicht als wirtschaftlich voneinander unabhängig angesehen werden können. Dabei kommt es auf die Umstände des Einzelfalls an, und es ist nicht zwingend erforderlich, dass zwischen den fraglichen Personen vertragliche Beziehungen bestehen oder dass sie auch nur die Absicht haben, die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen im Sinne der genannten Empfehlung zu umgehen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 7. März 2013, in dem Verfahren

HaTeFo GmbH

gegen

Finanzamt Haldensleben

erlässt

DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Santoro, avvocato dello Stato,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Sauer und T. Maxian Rusche als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Abs. 3 Unterabs. 4 des Anhangs der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124, S. 36, im Folgenden: KMU-Empfehlung).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der HaTeFo GmbH (im Folgenden: HaTeFo) und dem Finanzamt Haldensleben wegen der Berechnung einer Investitionszulage.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Im neunten Erwägungsgrund der KMU-Empfehlung heißt es:

„Damit sich die wirtschaftliche Realität der [Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)] besser erfassen lässt und aus dieser Kategorie die Unternehmensgruppen ausgeklammert werden können, die über eine stärkere Wirtschaftskraft als ein KMU verfügen, empfiehlt es sich, die verschiedenen Unternehmenstypen danach zu unterscheiden, ob es sich um eigenständige Unternehmen handelt, ob sie über Beteiligungen verfügen, mit denen keine Kontrollposition einhergeht (Partnerunternehmen), oder ob sie mit anderen Unternehmen verbunden sind. …”

Rz. 4

Der elfte Erwägungsgrund der Empfehlung enthält folgende Ausführungen:

„Aus Gründen der Vereinfachung, vor allem für die Mitgliedstaaten und die Unternehmen, ist es zum Zwecke der Definition der verbundenen Unternehmen angezeigt, jene Voraussetzungen zu übernehmen, die in Artikel 1 der [Siebenten] Richtlinie 83/349/EWG des Rates vom 13. Juni 1983 aufgrund von Artikel 54 Absatz 3 Buchstabe g) des Vertrages über den konsolidierten Abschluss [ABl. L 193, S. 1], zuletzt geändert durch die Richtlinie 2001/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 27. September 2001 (ABl. L 283, S. 28)], festgelegt sind, sofern sie dem Zweck dieser Empfehlung entsprechen. …”

Rz. 5

Der zwölfte Erwägungsgrund der Empfehlung lautet:

„Damit der Nutzen der verschiedenen Regelungen oder Maßnahmen zur Förderung der KMU nur den Unternehmen zugutekommt, bei denen ein entsprechender Bedarf besteht, ist es gleichermaßen wünschenswert, die Beziehungen zu berücksichtigen, die gegebenenfalls durch natürliche Personen zwischen den Unternehmen bestehen. Damit sich die Prüfung dieser Situation auf das unbedingt Notwendige beschränkt, gilt es, diese Beziehungen n...

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