Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorsteuerabzug, Pro-Rata-Satz bei Vorsteueraufteilung, keine Berücksichtigung noch nicht erbrachter Leistungen

 

Leitsatz (amtlich)

Es verstößt gegen Artikel 19 Absatz 1 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, wenn im Nenner des Bruches zur Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs der Wert der noch nicht abgeschlossenen Arbeiten berücksichtigt wird, die von einem Steuerpflichtigen bei der Ausübung einer Tätigkeit im Bauhandwerk ausgeführt werden, sofern dieser Wert nicht Übertragungen von Gegenständen oder Dienstleistungen entspricht, die der Steuerpflichtige bereits erbracht hat oder für die Bauabrechnungen erteilt oder Anzahlungen vereinnahmt wurden.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 19 Abs. 1

 

Beteiligte

António Jorge

António Jorge Lda

Fazenda Pública

 

Verfahrensgang

Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) (Entscheidung vom 26.11.2003)

 

Tatbestand

„Mehrwertsteuer ‐ Artikel 19 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Vorsteuerabzug ‐ Immobiliengeschäfte ‐ Gegenstände und Dienstleistungen, die für steuerpflichtige und für nicht steuerpflichtige Umsätze verwendet werden ‐ Pro-rata-Abzug“

In der Rechtssache C-536/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Supremo Tribunal Administrativo (Portugal) mit Entscheidung vom 26. November 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Dezember 2003, in dem Verfahren

António Jorge Lda

gegen

Fazenda Pública

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter J. Makarczyk, P. Kũris und G. Arestis,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Portugiesischen Republik, vertreten durch L. Fernandes als Bevollmächtigten,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und A. M. Alves Vieira als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 16. Dezember 2004

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Artikel 19 der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie) in Bezug auf die Bestimmung des Umfangs des Rechts auf Vorsteuerabzug bei der Errichtung von Gebäuden.

2

Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines beim Supremo Tribunal Administrativo (Oberster Verwaltungsgerichtshof) der Portugiesischen Republik eingelegten Rechtsmittels in einem Rechtsstreit der António Jorge Lda gegen die portugiesischen Behörden wegen der Nachforderung von Mehrwertsteuer und der Festsetzung von Verzugszinsen für die Jahre 1994 bis 1997.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Artikel 10 der Sechsten Richtlinie lautet wie folgt:

„(1) Im Sinne dieser Richtlinie gilt als

a) Steuertatbestand: der Tatbestand, durch den die gesetzlichen Voraussetzungen für den Steueranspruch verwirklicht werden,

b) Steueranspruch: der Anspruch, den der Fiskus nach dem Gesetz gegenüber dem Steuerschuldner von einem bestimmten Zeitpunkt ab auf die Zahlung der Steuer geltend machen kann, selbst wenn Zahlungsaufschub gewährt werden kann.

(2) Der Steuertatbestand und der Steueranspruch treten zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung des Gegenstands oder die Dienstleistung bewirkt wird. …

Werden jedoch Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen oder die Dienstleistung bewirkt ist, so entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag.“

4

Artikel 17 der Sechsten Richtlinie mit der Überschrift „Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug“ sieht vor:

(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.

(5) Soweit Gegenstände und Dienstleistungen von einem Steuerpflichtigen sowohl für Umsätze verwendet werden, für die nach den Absätzen 2 und 3 ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, als auch für Umsätze, für die dieses Recht nicht besteht, ist der Vorsteuerabzug nur für den Teil der Mehrwertsteuer zulässig, der auf den Betrag der erstgenannten Umsätze entfällt.

Dieser Pro-rata-Satz wird nach Artikel 19 für die Gesamtheit der vom Steuerpflichtigen bewirkten Umsätze festgelegt.“

5

Nach diesem Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 3 können die Mitgliedstaaten den Steuerpflichtigen auch gestatten oder sie verpflichten, andere Kriterien als das nach Artikel 19 anzuwenden.

6

Artikel 19 der Sechsten Richtlinie mit der Überschrift „Berechnung des Pro-rata-Satzes des Vorsteuerabzugs“ lautet wie folgt:

„(1)Der Pro-rata-Satz des Vorsteuerabzugs nach Artikel 17 Absatz 5 Unterabsatz 1 ergibt sich...

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