Entscheidungsstichwort (Thema)

Amtshilferichtlinie, Ersuchen auf Vollstreckung einer Geldbuße, Ablehnung einer Beitreibung, Nichtordnungsgemäße Zustellung einer Geldbußeentscheidung, Fehlverhalten des die Amtshilfe ersuchenden Staats

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 14 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen ist im Licht von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er eine Behörde eines Mitgliedstaats nicht daran hindert, die Vollstreckung eines Ersuchens wie des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden, das die Beitreibung einer Forderung betrifft, die auf einer in einem anderen Mitgliedstaat verhängten Geldbuße beruht, mit der Begründung abzulehnen, dass die Entscheidung, mit der die Geldbuße verhängt wurde, dem Betroffenen nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde, bevor bei der Behörde das Beitreibungsersuchen in Anwendung der Richtlinie gestellt wurde.

 

Normenkette

EURL 24/2010 Art. 14 Abs. 1-2

 

Beteiligte

Donnellan

Eamonn Donnellan

The Revenue Commissioners

 

Verfahrensgang

High Court (Irland) (Beschluss vom 16.01.2017; ABl. EU 2017, Nr. C 104/35)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen ‐ Richtlinie 2010/24/EU ‐ Art. 14 ‐ Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf ‐ Charta der Grundrechte der Europäischen Union ‐ Art. 47 ‐ Möglichkeit für die ersuchte Behörde, die Amtshilfe bei der Beitreibung abzulehnen, weil die Entscheidung, auf der die Forderung beruht, nicht ordnungsgemäß zugestellt wurde“

In der Rechtssache C-34/17

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom High Court (Hoher Gerichtshof, Irland) mit Entscheidung vom 16. Januar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 24. Januar 2017, in dem Verfahren

Eamonn Donnellan

gegen

The Revenue Commissioners

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilesic (Berichterstatter), des Richters A. Rosas, der Richterinnen C. Toader und A. Prechal sowie des Richters E. Jarasiunas,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: I. Illessy, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn Donnellan, vertreten durch L. Glennon und E. Silke, Solicitors, P. McGarry, SC, und R. Maguire, Barrister,

‐ der Revenue Commissioners, vertreten durch M.-C. Maney, Solicitor, N. Travers, SC, B. O Floinn, BL, und M. Corry, advocate,

‐ der hellenischen Regierung, vertreten durch E. Tsaousi, M. Tassopoulou und K. Georgiadis als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wilderspin, H. Krämer und F. Tomat als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. März 2018

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 14 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2010/24/EU des Rates vom 16. März 2010 über die Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen in Bezug auf bestimmte Steuern, Abgaben und sonstige Maßnahmen (ABl. 2010, L 84, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen Herrn Eamonn Donnellan und den Revenue Commissioners (im Folgenden: Commissioners) über die Beitreibung einer Forderung, die zum einen aus einer Geldbuße besteht, die von einer hellenischen Zollbehörde gegen Herrn Donnellan verhängt wurde, und zum anderen aus Zinsen sowie Kosten oder Strafen im Zusammenhang mit dieser Geldbuße.

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 2010/24

Rz. 3

Die Richtlinie 2010/24 wurde auf der Grundlage der Art. 113 und 115 AEUV erlassen. In ihren Erwägungsgründen 1, 7, 17, 20 und 21 heißt es:

„(1) Die Amtshilfe zwischen den Mitgliedstaaten bei der Beitreibung ihrer jeweiligen Forderungen sowie der Forderungen der Union in Bezug auf bestimmte Steuern und sonstige Maßnahmen trägt zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts bei. …

(7) Die Amtshilfe kann sich auf Folgendes erstrecken: Die ersuchte Behörde kann der ersuchenden Behörde Auskünfte erteilen, welche diese für die Beitreibung von in dem ersuchenden Mitgliedstaat entstandenen Forderungen benötigt, und dem Schuldner alle mit solchen Forderungen zusammenhängenden Dokumente des ersuchenden Mitgliedstaats zustellen. Die ersuchte Behörde kann ferner auf Ersuchen der ersuchenden Behörde die in dem ersuchenden Mitgliedstaat entstandenen Forderungen beitreiben oder Sicherungsmaßnahmen ergreifen, um die Beitreibung dieser Forderungen zu gewährleisten.

(17) Diese Richtlinie sollte die Erfüllung jedweder sich aus bilateralen oder multilateralen Übereinkünften oder Vereinbarungen ergebenden Verpflichtungen zur Leistung von Amtshilfe in größerem Umfang nicht hindern.

(20) Da die Ziele dieser Richtlinie, nämlich die Einführung eines einheitlichen Systems der Amtshilfe bei der Beitreibung von Forderungen innerhalb des Binnenmarkts, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und dahe...

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