Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzug vom Gewerbeertrag, Auslandsdividende, gewerbesteuerliche Kürzung des Gewinns, Gewinne aus Anteilen an einer ausländischen Kapitalgesellschaft

 

Leitsatz (amtlich)

Die Art. 63 bis 65 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, die eine Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft mit Geschäftsführung und Sitz in einem Drittstaat an strengere Bedingungen knüpft als die Kürzung um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft.

 

Normenkette

AEUV Art. 63-65

 

Beteiligte

EV

Finanzamt Lippstadt

 

Verfahrensgang

FG Münster (Beschluss vom 20.06.2016; Aktenzeichen 9 K 3911/13; EFG 2017, 323)

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Finanzgericht Münster (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. September 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Dezember 2016, in dem Verfahren

EV

gegen

Finanzamt Lippstadt

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. L. da Cruz Vilaça, der Richter E. Levits (Berichterstatter) und A. Borg Barthet, der Richterin M. Berger sowie des Richters F. Biltgen,

Generalanwalt: M. Wathelet,

Kanzler: M. Aleksejev, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. November 2017,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der EV, vertreten durch Rechtsanwalt U. Hohage,
  • des Finanzamts Lippstadt, vertreten durch H.-J. Sellmann als Bevollmächtigten,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Wasmeier, W. Roels und R. Lyal als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Februar 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 63 bis 65 AEUV.

Rz. 2

Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen EV, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien deutschen Rechts, und dem Finanzamt Lippstadt (Deutschland, im Folgenden: Finanzamt) über die EV auferlegte Gewerbesteuer.

Deutsches Recht

Rz. 3

In § 8 Abs. 1 Nrn. 1 bis 6 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz) vom 8. September 1972 (BGBl. 1972 I S. 1713, im Folgenden: AStG) sind folgende Tätigkeiten aufgeführt:

  1. Land- und Forstwirtschaft,
  2. Herstellung, Bearbeitung, Verarbeitung oder Montage von Sachen, Erzeugung von Energie sowie Aufsuchen und Gewinnung von Bodenschätzen,
  3. Betrieb von Kreditinstituten oder Versicherungsunternehmen, die für ihre Geschäfte einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Betrieb unterhalten (mit Ausnahmen),
  4. Handel (mit Ausnahmen),
  5. Dienstleistungen (mit Ausnahmen),
  6. Vermietung und Verpachtung (mit Ausnahmen).

Rz. 4

Das Gewerbesteuergesetz von 2002 in der durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20. Dezember 2007 geänderten Fassung (BGBl. 2007 I S. 3150, im Folgenden: GewStG 2002) sieht in § 2 vor:

„(1) 1Der Gewerbesteuer unterliegt jeder stehende Gewerbebetrieb, soweit er im Inland betrieben wird. … 3Im Inland betrieben wird ein Gewerbebetrieb, soweit für ihn im Inland … eine Betriebsstätte unterhalten wird.

(2) 1Als Gewerbebetrieb gilt stets und in vollem Umfang die Tätigkeit der Kapitalgesellschaften (insbesondere Europäische Gesellschaften, Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung) … 2Ist eine Kapitalgesellschaft Organgesellschaft im Sinne der §§ 14, 17 oder 18 des Körperschaftsteuergesetzes [(KStG)], so gilt sie als Betriebsstätte des Organträgers.”

Rz. 5

Besteuerungsgrundlage für die Gewerbesteuer ist nach § 6 GewStG 2002 der Gewerbeertrag, d. h. der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) oder des KStG zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt oder vermindert um die in den §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge (§ 7 Satz 1 GewStG 2002).

Rz. 6

§ 8 „Hinzurechnungen”) GewStG 2002 sieht vor:

„Dem Gewinn aus Gewerbebetrieb (§ 7) werden folgende Beträge wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind:

5. die nach § 3 Nr. 40 [EStG] oder § 8b Abs. 1 [KStG] außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile (Dividenden) und die diesen gleichgestellten Bezüge und erhaltenen Leistungen aus Anteilen an einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse im Sinne des [KStG], soweit sie nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a oder 7 erfüllen, nach Abzug der mit diesen Einnahmen … in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Betriebsausgaben …

…”

Rz. 7

§ 9 GewStG 2002 regelt die Kürzungen, soweit sie die Gewinne aus Beteiligungen an einer inländischen Gesellschaft oder an einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittstaat betreffen.

Rz. 8

Erstens sieht § 9 Nr. 2a GewStG 2002 vor, dass die Summe der Gewinne und Hinzurechnungen um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellsc...

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