Entscheidungsstichwort (Thema)

Unternehmereigenschaft, Vorsteuerabzug, Betrieb einer Fotovoltaikanlage auf einem Wohnhaus, Höherer privater Stromverbrauch als die Leistungskapazität der Fotovoltaikanlage

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass der Betrieb einer auf oder neben einem Wohnhaus angebrachten Fotovoltaikanlage, die derart ausgelegt ist, dass zum einen die Menge des erzeugten Stroms die durch den Anlagenbetreiber insgesamt privat verbrauchte Strommenge immer unterschreitet und zum anderen der erzeugte Strom gegen nachhaltige Einnahmen an das Netz geliefert wird, unter den Begriff „wirtschaftliche Tätigkeiten“ im Sinne dieses Artikels fällt.

 

Normenkette

EWGRL 388/77 Art. 4 Abs. 1-2

 

Beteiligte

Fuchs T

Thomas Fuchs

Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr

 

Verfahrensgang

VwGH Wien (Österreich) (Beschluss vom 29.03.2012; ABl. EU 2012, Nr. C 243/3)

 

Tatbestand

„Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie ‐ Art. 4 Abs. 1 und 2 ‐ Begriff ‚wirtschaftliche Tätigkeiten‘ ‐ Vorsteuerabzug ‐ Betrieb einer Fotovoltaikanlage auf dem Dach eines Wohnhauses ‐ Lieferung an das Netz ‐ Entgelt ‐ Stromerzeugung, die geringer ist als der Verbrauch“

In der Rechtssache C-219/12

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 29. März 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Mai 2012, in dem Verfahren

Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr

gegen

Unabhängiger Finanzsenat, Außenstelle Linz,

Beteiligter:

Thomas Fuchs,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis, J.-C. Bonichot, A. Arabadjiev (Berichterstatter) und J. L. da Cruz Vilaça,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. März 2013

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1) in der durch die Richtlinie 95/7/EG des Rates vom 10. April 1995 (ABl. L 102, S. 18) geänderten Fassung (im Folgenden: Sechste Richtlinie).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Freistadt Rohrbach Urfahr (im Folgenden: Finanzamt) und dem Unabhängigen Finanzsenat, Außenstelle Linz, wegen des Abzugs von Mehrwertsteuer, die als Vorsteuer für eine auf dem Dach eines Wohnhauses angebrachte Fotovoltaikanlage entrichtet wurde.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 der Sechsten Richtlinie, der deren Abschnitt II („Steueranwendungsbereich“) bildete, lautete:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen:

1. Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen Entgelt ausführt;

…“

Rz. 4

Art. 4 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie sah vor:

„(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis.

(2) Die in Absatz 1 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen umfasst.“

Rz. 5

Art. 5 Abs. 1 und 2 der Sechsten Richtlinie bestimmte:

„(1) Als Lieferung eines Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen.

(2) Als Gegenstand gelten Elektrizität … und ähnliche Sachen.“

Rz. 6

Art. 17 der Sechsten Richtlinie in der Fassung ihres Art. 28f sah vor:

„(1) Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.

(2) Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige befugt, von der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a) die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer fü...

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