Entscheidungsstichwort (Thema)

Differenzbesteuerung, Bestimmung der Marge, Anzahlungen auf eine Reiseleistung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Art. 65 und 306 bis 310 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass der Mehrwertsteueranspruch im Einklang mit Art. 65 entsteht, wenn ein Reisebüro, das der Sonderregelung in den Art. 306 bis 310 unterliegt, eine Anzahlung auf touristische Dienstleistungen, die es dem Reisenden erbringen wird, vereinnahmt, sofern die zu erbringenden touristischen Dienstleistungen zu diesem Zeitpunkt genau bestimmt sind.

2. Art. 308 der Richtlinie 2006/112 in der durch die Richtlinie 2010/45 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die Marge des Reisebüros – und folglich seine Steuerbemessungsgrundlage – in der Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten besteht, die vom Reisebüro vorab für Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger verauslagt werden, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugutekommen. Entspricht die Anzahlung dem Gesamtpreis der touristischen Dienstleistung oder einem erheblichen Teil davon, und sind dem Reisebüro noch keine tatsächlichen Kosten oder nur ein begrenzter Teil der individuellen Gesamtkosten für diese Dienstleistung entstanden oder können die vom Reisebüro zu tragenden tatsächlichen individuellen Kosten der Reise zum Zeitpunkt der Leistung der Anzahlung nicht bestimmt werden, dann kann die Gewinnmarge aufgrund einer Schätzung der tatsächlichen Gesamtkosten bestimmt werden, die dem Reisebüro letztlich entstehen werden. Bei einer solchen Schätzung hat das Reisebüro gegebenenfalls die Kosten zu berücksichtigen, die ihm zum Zeitpunkt der Vereinnahmung der Anzahlung bereits tatsächlich entstanden sind. Bei der Berechnung der Marge werden vom Gesamtpreis der Reise die geschätzten tatsächlichen Kosten in Abzug gebracht. Die Bemessungsgrundlage der bei Vereinnahmung der Anzahlung abzuführenden Mehrwertsteuer ergibt sich aus einer Multiplikation des Betrags der Anzahlung mit dem Prozentsatz, der vom Gesamtpreis der Reise auf die in dieser Weise bestimmte voraussichtliche Gewinnmarge entfällt.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 65, 306-310

 

Beteiligte

Skarpa Travel

Szef Krajowej Administracji Skarbowej

Skarpa Travel sp. z o.o

 

Verfahrensgang

Naczelny Sąd Administracyjny (Polen) (Beschluss vom 16.02.2017; ABl. EU 2017, Nr. C 357/3)

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Naczelny Sad Administracyjny (Oberster Verwaltungsgerichtshof, Polen) mit Entscheidung vom 16. Februar 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Juli 2017, in dem Verfahren

Szef Krajowej Administracji Skarbowej

gegen

Skarpa Travel sp. z o.o.

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Siebten Kammer T. von Danwitz in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richterin K. Jürimäe sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász (Berichterstatter) und C. Vajda,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: M. Aleksejev, Referatsleiter,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. Juni 2018,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • des Szef Krajowej Administracji Skarbowej, vertreten durch J. Kaute und M. Kowalewska als Bevollmächtigte,
  • der Skarpa Travel sp. z o.o., vertreten durch J. Zajac-Wysocka, radca prawny,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna und A. Kramarczyk-Szaladzinska als Bevollmächtigte,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Siekierzynska und N. Gossement als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. September 2018

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 65 und 308 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 (ABl. 2010, L 189, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Szef Krajowej Administracji Skarbowej (Leiter der nationalen Finanzverwaltung, Polen) und der Skarpa Travel sp. z o.o. (im Folgenden: Skarpa) wegen einer Steuerauskunft des Minister Finansów (Finanzminister, Polen, im Folgenden: Minister) über den Entstehungszeitpunkt und die Berechnungsmethode der Mehrwertsteuer bei der Vereinnahmung einer Anzahlung auf eine von einem Reisebüro erbrachte touristische Dienstleistung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Gemäß Art. 63 der Mehrwertsteuerrichtlinie treten „Steuertatbestand und Steueranspruch … zu dem Zeitpunkt ein, zu dem die Lieferung von Gegenständen bewirkt od...

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