Entscheidungsstichwort (Thema)

Steuerbefreiung, Einheitlichkeit der Leistung, Portfolioverwaltung, Ort der Dienstleistung, Portfolioverwaltung als einheitliche Leistung, Portfolioverwaltung als Finanzdienstleistung zur Bestimmung des Leistungsorts

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Leistung der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, d. h. eine entgeltliche Tätigkeit, bei der ein Steuerpflichtiger aufgrund eigenen Ermessens über den Kauf und Verkauf von Wertpapieren entscheidet und diese Entscheidung durch den Kauf und Verkauf der Wertpapiere vollzieht, besteht aus zwei Elementen, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige wirtschaftliche Leistung bilden.

2. Art. 135 Abs. 1 Buchst. f bzw. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass eine Vermögensverwaltung mit Wertpapieren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende nicht gemäß dieser Bestimmung von der Mehrwertsteuer befreit ist.

3. Art. 56 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er nicht nur die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. a bis g dieser Richtlinie genannten Leistungen umfasst, sondern auch die Leistungen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 135 Abs. 1 Buchst. f, Abs. 1 Buchst. G, Art. 56 Abs. 1 Buchst. E

 

Beteiligte

Deutsche Bank

Finanzamt Frankfurt am Main V-Höchst

Deutsche Bank AG

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 28.10.2010; Aktenzeichen V R 9/10; BFH/NV 2011, 544)

 

Tatbestand

Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 56 Abs. 1 Buchst. eArt. 135 Abs. 1 Buchst. f und g ‐ Befreiung von Umsätzen der Vermögensverwaltung mit Wertpapieren (Portfolioverwaltung)“

In der Rechtssache C-44/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 28. Oktober 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Januar 2011, in dem Verfahren

Finanzamt Frankfurt am Main V-Höchst

gegen

Deutsche Bank AG

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J. N. Cunha Rodrigues sowie der Richter U. Lõhmus, A. Rosas (Berichterstatter), A. Ó Caoimh und A. Arabadjiev,

Generalanwältin: E. Sharpston,

Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ des Finanzamts Frankfurt am Main V-Höchst, vertreten durch M. Baueregger als Bevollmächtigten,

‐ der Deutsche Bank AG, vertreten durch P. Farmer und P. Freund, Barristers,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze als Bevollmächtigten,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch C. M. Wissels und M. K. Bulterman als Bevollmächtigte,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch C. Murrell als Bevollmächtigte im Beistand von R. Hill, Solicitor,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Soulay, L. Lozano Palacios und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 8. Mai 2012

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 56 Abs. 1 Buchst. e und Art. 135 Abs. 1 Buchst. f und g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Richtlinie 2006/112).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Finanzamt Frankfurt am Main V-Höchst (im Folgenden: Finanzamt) und der Deutsche Bank AG (im Folgenden: Deutsche Bank), bei dem es insbesondere um die rechtliche Einordnung der von der Deutschen Bank getätigten Vermögensverwaltung mit Wertpapieren (im Folgenden: Portfolioverwaltung) im Hinblick auf die Befreiung von der Mehrwertsteuer geht.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 56 der Richtlinie 2006/112 bestimmte im entscheidungserheblichen Zeitraum:

„(1) Als Ort der folgenden Dienstleistungen, die an außerhalb der Gemeinschaft ansässige Dienstleistungsempfänger oder an Steuerpflichtige, die innerhalb der Gemeinschaft, jedoch außerhalb des Staates des Dienstleistungserbringers ansässig sind, erbracht werden, gilt der Ort, an dem der Dienstleistungsempfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist, oder in Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen Niederlassung sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthaltsort:

e) Bank-, Finanz- und Versicherungsumsätze, einschließlich Rückversicherungsumsätze, ausgenommen die Vermietung von Schließfächern;

…“

Rz. 4

Art. 135 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

a) Versicherungs- und Rückversicherungsumsätze einschließlich der dazugehörigen Dienstleistungen, die von Versicherungsmaklern und -vertretern erbracht werden;

f) Umsätze ‐ einschließlich der Vermittlung, jedoch nicht der Verwahrung und der Verwaltung ‐, die sich auf Aktien, An...

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