Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftliches Versandverfahren, Nichteinleitung eines Zollerhebungsverfahrens, Italien, Eigemittel der Gemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wird im Rahmen eines gemeinschaftlichen Versandverfahrens oder eines Carnet TIR-Verfahrens die Abgangsstelle von der Bestimmungsstelle nicht fristgemäß über die Erledigung des Verfahrens (Gestellung der beförderten Waren) unterrichtet, so steht dies zollschuldrechtlich einer fehlenden Gestellung bei der Bestimmungsstelle gleich: Die Zollschuld gilt mit Ablauf der Gestellungsfrist als entstanden und der Hauptverpflichtete bzw. der Inhaber des Carnet TIR gelten als Zollschuldner (Vermutung der Zollschuld).

2. Unterbleibt in einem solchen Fall die Mitteilung der Abgangsstelle an den vermuteten Zollschuldner über die Nichterledigung des Verfahrens, ist dieser nicht zur Zahlung verpflichtet; gleichwohl entsteht bei Ablauf der vorgeschriebenen Frist der Anspruch der Gemeinschaft auf die Eigenmittel. Der betreffende Mitgliedstaat muss das Bestehen dieses Anspruchs feststellen und in seiner Buchführung erfassen.

3. Stellt sich im Nachhinein heraus, dass die vermutete Zollschuld infolge der rechtzeitigen Gestellung bei der Bestimmungsstelle nicht besteht, entfällt mit der Zollschuld auch der Anspruch der Gemeinschaft auf die zur Hauptschuld akzessorischen Verzugszinsen, welche die Kommission wegen verspäteter Gutschrift der Eigenmittel grundsätzlich zu fordern berechtigt wäre.

 

Normenkette

EWGV 1552/89 Art. 6 Abs. 2 Buchst. a; EGV 1150/2000 Art. 6 Abs. 3 Buchst. a

 

Beteiligte

Kommission / Italien

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

Italienische Republik

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Externes gemeinschaftliches Versandverfahren ‐ Carnets TIR ‐ Zölle ‐ Eigenmittel der Gemeinschaften ‐ Bereitstellung ‐ Frist ‐ Verzugszinsen ‐ Verbuchungsregeln“

In der Rechtssache C-275/07

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 8. Juni 2007,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. Wilms, M. Velardo und D. Recchia als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Italienische Republik, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von G. Albenzio, avvocato dello Stato,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter M. Ilešič, A. Borg Barthet (Berichterstatter), E. Levits und J.-J. Kasel,

Generalanwältin: V. Trstenjak,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. April 2008,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. Juni 2008

folgendes

Urteil

1

Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Italienische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1552/89 des Rates vom 29. Mai 1989 zur Durchführung des Beschlusses 88/376/EWG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 155, S. 1), die mit Wirkung ab dem 31. Mai 2000 durch die Verordnung (EG, Euratom) Nr. 1150/2000 des Rates vom 22. Mai 2000 zur Durchführung des Beschlusses 94/728/EG, Euratom über das System der Eigenmittel der Gemeinschaften (ABl. L 130, S. 1) ersetzt wurde, und insbesondere aus Art. 6 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 1552/89 und Art. 6 Abs. 3 Buchst. a der Verordnung Nr. 1150/2000 verstoßen hat, dass sie

‐ sich geweigert hat, der Kommission Verzugszinsen in Höhe von insgesamt 847,06 Euro wegen der verspäteten Verbuchung von Zöllen zu zahlen und die nationalen Bestimmungen in Bezug auf die Verbuchung von Zollhandlungen aufgrund eines gemeinschaftlichen Versandverfahrens, die durch eine Gesamtbürgschaft gesichert und nicht angefochten worden sind, der gemeinschaftlichen Regelung anzupassen, und

‐ sich geweigert hat, der Kommission Verzugszinsen in Höhe von insgesamt 3 322 Euro wegen der Nichteinhaltung der Frist der Gemeinschaftsregelung über die Gutschrift von Zöllen in die A-Buchführung bei Versandverfahren im Sinne des am 14. November 1975 in Genf (Schweiz) unterzeichneten Zollübereinkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR (TIR-Übereinkommen) (ABl. 1978, L 252, S. 2, im Folgenden: TIR-Übereinkommen) zu zahlen.

Rechtlicher Rahmen

Das TIR-Übereinkommen

2

Die Italienische Republik ist Partei dieses Übereinkommens, wie auch die Europäische Gemeinschaft, die es mit der Verordnung (EWG) Nr. 2112/78 des Rates vom 25. Juli 1978 (ABl. L 252, S. 1) genehmigte. Das Übereinkommen trat für die Gemeinschaft am 20. Juni 1983 in Kraft (ABl. L 31, S. 13).

3

Das TIR-Übereinkommen bestimmt u. a., dass für Waren, die in dem durch das Übereinkommen eingeführten TIR-Verfahren befördert werden, keine Entrichtung oder Hinterlegung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben bei den Durchgangszollstel...

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