Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorabentscheidungsersuchen. Indirekte Steuern. Mehrwertsteuer. Innergemeinschaftlicher Erwerb von Gegenständen. Vorsteuerabzug für einen derartigen Erwerb. Formelle Anforderungen. Materielle Anforderungen. Frist zur Abgabe der Steuererklärung. Grundsätze der steuerlichen Neutralität und der Verhältnismäßigkeit

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 167, 178

 

Beteiligte

A

A

Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej

 

Verfahrensgang

Wojewódzki Sad Administracyjny w Gliwicach (Polen) (Beschluss vom 04.11.2019; ABl. EU 2020, Nr. C 54/40)

 

Tenor

Die Art. 167 und 178 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach die Ausübung des Rechts auf Abzug der auf einen innergemeinschaftlichen Erwerb anfallenden Mehrwertsteuer im gleichen Steuerzeitraum wie dem, in dem die Mehrwertsteuer abzuführen ist, davon abhängig gemacht wird, dass die geschuldete Mehrwertsteuer in der Steuererklärung angemeldet wird, die innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Ablauf des Monats abzugeben ist, in dem die Steuerpflicht für den Erwerb der Waren entstanden ist.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Wojewódzki Sąd Administracyjny w Gliwicach (Woiwodschaftsverwaltungsgericht Gliwice, Polen) mit Entscheidung vom 4. November 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 4. Dezember 2019, in dem Verfahren

A.

gegen

Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej,

Beteiligter:

Rzecznik Małych i Řrednich przedsiębiorców,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Neunte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten N. Piçarra, des Richters S. Rodin und der Richterin K. Jürimäe (Berichterstatterin),

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der A., vertreten durch M. Bielawski, doradca podatkowy,
  • des Rzecznik Małych i Řrednich Przedsiębiorców, vertreten durch P. Chrupek, radca prawny,
  • der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Siekierzyńska und J. Jokubauskaite als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 167 und 178 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1) in der durch die Richtlinie 2010/45/EU des Rates vom 13. Juli 2010 (ABl. 2010, L 189, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen A. und dem Dyrektor Krajowej Informacji Skarbowej (Direktor der nationalen Steuerinformationsbehörde, Polen) (im Folgenden: Steuerbehörde) wegen des Vorsteuerabzugs für innergemeinschaftliche Erwerbe.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 2 Abs. 1 Buchst. b Ziff. i der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:

b) der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt

i) durch einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, oder durch eine nichtsteuerpflichtige juristische Person, wenn der Verkäufer ein Steuerpflichtiger ist, der als solcher handelt, für den die Mehrwertsteuerbefreiung für Kleinunternehmen gemäß den Artikeln 282 bis 292 nicht gilt und der nicht unter Artikel 33 oder 36 fällt”.

Rz. 4

Art. 68 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Der Steuertatbestand tritt zu dem Zeitpunkt ein, zu dem der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen bewirkt wird.

Der innergemeinschaftliche Erwerb von Gegenständen gilt als zu dem Zeitpunkt bewirkt, zu dem die Lieferung gleichartiger Gegenstände innerhalb des Mitgliedstaats als bewirkt gilt.”

Rz. 5

Art. 69 der Richtlinie lautet:

„Beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen tritt der Steueranspruch bei der Ausstellung der Rechnung, oder bei Ablauf der Frist nach Artikel 222 Absatz 1, wenn bis zu diesem Zeitpunkt keine Rechnung ausgestellt worden ist, ein.”

Rz. 6

Art. 167 der Richtlinie bestimmt:

„Das Recht auf Vorsteuerabzug entsteht, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht.”

Rz. 7

In Art. 168 der Mehrwertsteuerrichtlinie heißt es:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

c) die Mehrwertsteuer, die für den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen gemäß Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer i geschuldet wird;

…”

Rz. 8

Art. 178 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Um das Recht auf Vorsteuerabzug...

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