Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerrecht. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Steuerbefreiungen für bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten. Öffentliche Posteinrichtungen. Anbieter des Universalpostdienstes. Privater Anbieter förmlicher Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. a; EGRL 67/97 Art. 2 Nr. 13, Art. 3

 

Beteiligte

Winterhoff

Michael Winterhoff

Jochen Eisenbeis

Finanzamt Ulm

Bundeszentralamt für Steuern

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 31.05.2017; Aktenzeichen V R 30/15; BFH/NV)

BFH (Beschluss vom 31.05.2017; Aktenzeichen V R 8/16; BFH/NV)

 

Tenor

Art. 2 Nr. 13 und Art. 3 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität in der durch die Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass Anbieter von Briefzustelldienstleistungen wie die in den Ausgangsverfahren in Rede stehenden, die in ihrer Eigenschaft als Inhaber einer nationalen Lizenz, die ihnen die Erbringung dieser Dienstleistung gestattet, verpflichtet sind, förmliche Zustellungen von Schriftstücken von Gerichten oder Verwaltungsbehörden nach Vorschriften des nationalen Rechts durchzuführen, als „Universaldiensteanbieter” im Sinne dieser Bestimmungen anzusehen sind, so dass solche förmlichen Zustellungen als von „öffentlichen Posteinrichtungen” erbrachte Dienstleistungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem von der Umsatzsteuer zu befreien sind.

 

Tatbestand

In den verbundenen Rechtssachen

betreffend Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidungen vom 31. Mai 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Januar 2018, in den Verfahren

Michael Winterhoff als Insolvenzverwalter über das Vermögen der DIREKTexpress Holding AG

gegen

Finanzamt Ulm (C-4/18)

und

Jochen Eisenbeis als Insolvenzverwalter über das Vermögen der JUREX GmbH

gegen

Bundeszentralamt für Steuern (C-5/18)

erlässt

DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter I. Jarukaitis, E. Juhász, M. Ilešič und C. Lycourgos,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von Herrn Winterhoff als Insolvenzverwalter über das Vermögen der DIREKTexpress Holding AG und von Herrn Eisenbeis als Insolvenzverwalter über das Vermögen der JUREX GmbH, vertreten durch Steuerberater C. Hahn,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,
  • der finnischen Regierung, vertreten durch H. Leppo als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls, L. Lozano Palacios und L. Nicolae als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Auslegung von Art. 2 Nr. 13 und Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 97/67/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 1997 über gemeinsame Vorschriften für die Entwicklung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft und die Verbesserung der Dienstequalität (ABl. 1998, L 15, S. 14) in der durch die Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 (ABl. 2008, L 52, S. 3, berichtigt im ABl. 2015, L 225, S. 49) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 97/67) sowie von Art. 132 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

Rz. 2

Die Ersuchen ergehen im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten zwischen Herrn Michael Winterhoff als Insolvenzverwalter über das Vermögen der DIREKTexpress Holding AG und dem Finanzamt Ulm (Deutschland) (Rechtssache C-4/18) sowie zwischen Herrn Jochen Eisenbeis als Insolvenzverwalter über das Vermögen der JUREX GmbH und dem Bundeszentralamt für Steuern (Deutschland) (Rechtssache C-5/18) wegen der Weigerung, von diesen Unternehmen durchgeführte förmliche Zustellungen von Schriftstücken für Gerichte und Verwaltungsbehörden von der Umsatzsteuer zu befreien.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 97/67

Rz. 3

Art. 2 der Richtlinie 97/67, der zu ihrem Kapitel 1 „Zielsetzung und Geltungsbereich”) gehört, enthält folgende Begriffsbestimmungen:

„Im Sinne dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck

1. ‚Postdienste’ die Dienste im Zusammenhang mit der Abholung, dem Sortieren, dem Transport und der Zustellung von Postsendungen;

1a. ‚Postdiensteanbieter’ Unternehmen, die einen oder mehrere Postdienste erbringen;

4. ‚Abholung’ das Einsammel...

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