Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnsitz des Erblassers in anderem Mitgliedstaat, Abzug von Verbindlichkeiten, Doppelbesteuerung, Gewährung einer Steuergutschrift für die Erbschaftsteuer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Art. 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG und 58 EG) sind dahin auszulegen, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats wie der im Ausgangsverfahren streitigen entgegenstehen, die die Berechnung der Erbschaft- und Vermögensübergangsteuer für ein in einem Mitgliedstaat belegenes Grundstück betrifft und bei der Berechnung dieser Steuern nicht die Möglichkeit vorsieht, die aus einer Mehrzuteilung infolge der testamentarischen Nachlassaufteilung der Eltern resultierenden Verbindlichkeiten abzuziehen, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes nicht in diesem Staat, sondern in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaft war, während ein solcher Abzug möglich ist, wenn der Erblasser zu diesem Zeitpunkt in dem Staat, in dem das Nachlassgrundstück belegen ist, wohnhaft war, sofern eine solche Regelung einen progressiven Steuersatz vorsieht und die Nichtberücksichtigung dieser Verbindlichkeiten in Verbindung mit dem progressiven Steuersatz zu einer höheren steuerlichen Belastung für die Erben führen kann, die eine solche Abzugsmöglichkeit nicht in Anspruch nehmen können.

2. Die Antwort auf die erste Frage in Nr. 1 des Tenors dieses Urteils ändert sich nicht, wenn die Regelung des Mitgliedstaats, in dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes gewohnt hat, einseitig die Möglichkeit der Gewährung einer Steuergutschrift für die Erbschaftsteuer vorsieht, die in einem anderen Mitgliedstaat für die dort belegenen Grundstücke zu entrichten ist.

 

Normenkette

EGVtr Art. 56, 58

 

Beteiligte

Arens-Sikken

D. M. M. A. Arens-Sikken

Staatssecretaris van Financiën

 

Verfahrensgang

Hoge Raad (Niederlande) (Urteil vom 12.01.2007; Abl.EU 2007, Nr. C 69/9)

 

Tatbestand

„Freier Kapitalverkehr ‐ Art. 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG und 58 EG) ‐ Nationale Regelung über die Erbschaft- und Vermögensübergangsteuer, die bei der Berechnung dieser Steuern keinen Abzug von Verbindlichkeiten erlaubt, die aus einer Mehrzuteilung infolge der Nachlassaufteilung der Eltern resultieren, wenn der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes nicht in dem Mitgliedstaat gewohnt hat, in dem das Nachlassgrundstück belegen ist ‐ Beschränkung ‐ Keine Rechtfertigung ‐ Fehlen eines zweiseitigen Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung ‐ Folgen für die Beschränkung des freien Kapitalverkehrs, wenn der Ausgleich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung im Mitgliedstaat des Wohnsitzes des Erblassers niedriger ist“

In der Rechtssache C-43/07

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 12. Januar 2007, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Februar 2007, in dem Verfahren

D. M. M. A. Arens-Sikken

gegen

Staatssecretaris van Financiën

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas sowie der Richter J. N. Cunha Rodrigues, J. Klŭcka, A. Ó Caoimh (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Dezember 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Mol als Bevollmächtigte,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck als Bevollmächtigte im Beistand von A. Haelterman, advocaat,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal, A. Weimar und R. Troosters als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. März 2008

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 73b und 73d EG-Vertrag (jetzt Art. 56 EG und 58 EG), die sich auf den freien Kapitalverkehr beziehen.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits von Frau Arens-Sikken, Ehefrau eines in Italien verstorbenen niederländischen Staatsangehörigen, gegen den Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär der Finanzen) wegen Berechnung der Vermögensübergangsteuer für ein Grundstück, das dem Erblasser in den Niederlanden gehört hatte.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Art. 1 der Richtlinie 88/361/EWG des Rates vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Artikel 67 des Vertrages (später Art. 67 EG-Vertrag, [aufgehoben durch den Vertrag von Amsterdam]) (ABl. L 178, S. 5) lautet:

„(1) Unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen beseitigen die Mitgliedstaaten die Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Gebietsansässigen in den Mitgliedstaaten. Zur Erleichterung der Durchführung dieser Richtlinie wird der Kapitalverkehr entsprechend der Nomenklatur in Anhang I gegliedert.

(2) Die mit dem Kapitalverkehr zusammenhängenden Zahlungstransaktionen erfolgen zu den gleichen Devisenbedingungen, die bei Zahlungen für laufende Transaktionen gelten.“

4

Zu den in Anhang I der Richtlinie 88/361 auf...

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