Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermäßigter Steuersatz, Medizinische Sauerstoffbehandlung, Sauerstoffgasflaschen, Sauerstoffkonzentratoren

 

Leitsatz (amtlich)

Art. 98 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem und deren Anhang III Nrn. 3 und 4 stehen im Licht des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nicht entgegen, die vorsieht, dass auf die Lieferung oder die Vermietung von Sauerstoffkonzentratoren der normale Mehrwertsteuersatz anzuwenden ist, während für die Lieferung von Sauerstoffgasflaschen ein ermäßigter Mehrwertsteuersatz gilt.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 98 Abs. 1-2; EGRL 112/2006 Anhang III Nrn. 3-4

 

Beteiligte

Oxycure Belgium

Belgischer Staat

Oxycure Belgium SA

 

Verfahrensgang

Cour d’appel de Liège (Belgien) (Beschluss vom 28.10.2015; Abl.EU 2016, Nr. C 38/27)

 

Tatbestand

„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 98 Abs. 2 ‐ Anhang III Nrn. 3 und 4 ‐ Grundsatz der steuerlichen Neutralität ‐ Medizinische Sauerstoffbehandlung ‐ Ermäßigter Mehrwertsteuersatz ‐ Sauerstoffgasflaschen ‐ Normaler Mehrwertsteuersatz ‐ Sauerstoffkonzentratoren“

In der Rechtssache C-573/15

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d’appel de Liège (Appellationshof Lüttich, Belgien) mit Entscheidung vom 28. Oktober 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 9. November 2015, in dem Verfahren

État belge

gegen

Oxycure Belgium SA

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter A. Arabadjiev und C. G. Fernlund (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2016,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Oxycure Belgium SA, vertreten durch F. Fosseur, avocat,

‐ der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und J.-C. Halleux als Bevollmächtigte im Beistand von D. Carmen, Sachverständiger,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch J.-F. Brakeland und M. Owsiany-Hornung als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. Oktober 2016

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 98 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) und von Anhang III Nrn. 3 und 4 dieser Richtlinie im Hinblick auf den Grundsatz der steuerlichen Neutralität.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem belgischen Staat und der Oxycure Belgium SA (im Folgenden: Oxycure) über die mehrwertsteuerliche Behandlung der Tätigkeit des Verkaufs und/oder der Vermietung von Sauerstoffkonzentratoren und Zubehör für die medizinische Sauerstoffbehandlung.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Der vierte Erwägungsgrund der Mehrwertsteuerrichtlinie lautet:

„Voraussetzung für die Verwirklichung des Ziels, einen Binnenmarkt zu schaffen, ist, dass in den Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern angewandt werden, durch die die Wettbewerbsbedingungen nicht verfälscht und der freie Waren- und Dienstleistungsverkehr nicht behindert werden. Es ist daher erforderlich, eine Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern im Wege eines Mehrwertsteuersystems vorzunehmen, um so weit wie möglich die Faktoren auszuschalten, die geeignet sind, die Wettbewerbsbedingungen sowohl auf nationaler Ebene als auch auf Gemeinschaftsebene zu verfälschen.“

Rz. 4

Art. 96 dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten wenden einen Mehrwertsteuer-Normalsatz an, den jeder Mitgliedstaat als Prozentsatz der Bemessungsgrundlage festsetzt und der für die Lieferungen von Gegenständen und für Dienstleistungen gleich ist.“

Rz. 5

Art. 98 Abs. 1 und 2 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten können einen oder zwei ermäßigte Steuersätze anwenden.

(2) Die ermäßigten Steuersätze sind nur auf die Lieferungen von Gegenständen und die Dienstleistungen der in Anhang III genannten Kategorien anwendbar.

…“

Rz. 6

In Nr. 3 des Anhangs III der Mehrwertsteuerrichtlinie sind „Arzneimittel, die üblicherweise für die Gesundheitsvorsorge, die Verhütung von Krankheiten und für ärztliche und tierärztliche Behandlungen verwendet werden, einschließlich Erzeugnissen für Zwecke der Empfängnisverhütung und der Monatshygiene“ aufgeführt.

Rz. 7

In Nr. 4 dieses Anhangs sind „medizinische Geräte, Hilfsmittel und sonstige Vorrichtungen, die üblicherweise für die Linderung und die Behandlung von Behinderungen verwendet werden und die ausschließlich für den persönlichen Gebrauch von Behinderten bestimmt sind, einschließlich der Instandsetzung solcher Gegenstände, sowie Kindersitze für Kraftfahrzeuge“ aufgeführt.

Belgisches Recht

Rz. 8

Der Arrêté royal n° 20, du 20 juillet ...

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