Entscheidungsstichwort (Thema)

Vermeidung einer Doppelbesteuerung von Dividenden, Berufung auf Steuergutschrift in einem anderen Mitgliedstaat, Versagung der Befreiung vom Quellensteuerabzug bei Dividenden, die an eine ausländische Empfängergesellschaft ausgeschüttet werden

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Art. 56 EG und 58 EG stehen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegen, die für den Fall, dass die in Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 90/435/EWG des Rates vom 23. Juli 1990 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten vorgesehene Mindestbeteiligung der Muttergesellschaft am Kapital der Tochtergesellschaft nicht erreicht ist, einen Quellensteuerabzug von Dividenden vorsehen, die von einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Empfängergesellschaft ausgeschüttet werden, von diesem Abzug aber Dividenden ausnehmen, die an eine Empfängergesellschaft gezahlt werden, die in dem erstgenannten Mitgliedstaat der Körperschaftsteuer unterliegt oder in diesem Staat über eine feste Niederlassung verfügt, der die an der ausschüttenden Gesellschaft gehaltenen Anteile gehören.

2. Ein Mitgliedstaat, der die wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Dividenden, die an in seinem Hoheitsgebiet ansässige Empfängergesellschaften ausgeschüttet werden, vermeidet, kann sich nicht auf eine volle Steuergutschrift, die ein anderer Mitgliedstaat einer in diesem Mitgliedstaat ansässigen Empfängergesellschaft einseitig gewährt, berufen, um seiner Verpflichtung zu entgehen, eine sich aus der Ausübung seiner Steuerhoheit ergebende wirtschaftliche Doppelbesteuerung von Dividenden zu vermeiden. Beruft sich ein Mitgliedstaat auf ein mit einem anderen Mitgliedstaat geschlossenes Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung, so ist es Sache des nationalen Gerichts zu bestimmen, ob dieses Abkommen im Ausgangsrechtsstreit zu berücksichtigen ist, und gegebenenfalls zu prüfen, ob es dieses Abkommen ermöglicht, die Wirkungen der Beschränkung des freien Kapitalverkehrs zu neutralisieren.

 

Normenkette

EGVtr Art. 56, 58

 

Beteiligte

Amurta

Amurta SGPS

Inspecteur van de Belastingdienst/Amsterdam

 

Verfahrensgang

Gerechtshof Amsterdam (Niederlande) (Urteil vom 21.09.2005; Abl.EU 2006, Nr. C 22/3)

 

Tatbestand

„Art. 56 EG und 58 EG ‐ Freier Kapitalverkehr ‐ Nationale Steuervorschriften, die eine Befreiung von Beteiligungen von der Körperschaftsteuer vorsehen ‐ Besteuerung von Dividenden ‐ Steuerabzug an der Quelle ‐ Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle ‐ Anwendung auf Empfängergesellschaften, die einen Sitz oder eine feste Niederlassung in dem Mitgliedstaat haben, der die Befreiung gewährt, und für deren Beteiligungen die Befreiung von der Körperschaftsteuer gilt ‐ Versagung der Befreiung vom Steuerabzug an der Quelle bei Dividenden, die an eine Empfängergesellschaft ausgeschüttet werden, die in dem entsprechenden Mitgliedstaat weder über einen Sitz noch über eine feste Niederlassung verfügt“

In der Rechtssache C-379/05

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Gerechtshof te Amsterdam (Niederlande) mit Entscheidung vom 21. September 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Oktober 2005, in dem Verfahren

Amurta SGPS

gegen

Inspecteur van de Belastingdienst/Amsterdam

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten P. Jann sowie der Richter A. Tizzano, R. Schintgen, A. Borg Barthet und E. Levits (Berichterstatter),

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Amurta SGPS, vertreten durch L. C. A. Wijsman, J. J. Feenstra und R. M. P. G. Niessen-Cobben, advocaten,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und D. J. M. de Grave als Bevollmächtigte,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch M. Lumma und C. Blaschke als Bevollmächtigte,

‐ der italienischen Regierung, vertreten durch I. M. Braguglia als Bevollmächtigten im Beistand von P. Gentili, avvocato dello Stato,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten zunächst durch S. Nwaokolo, dann durch V. Jackson als Bevollmächtigte im Beistand von J. Stratford, Barrister,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und A. Weimar als Bevollmächtigte,

‐ der EFTA-Überwachungsbehörde, vertreten durch S. Rydelski und P. A. Bjørgan als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 7. Juni 2007

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 EG und 58 EG.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Amurta SGPS (im Folgenden: Amurta), einer Gesellschaft mit Sitz in Portugal, und dem Inspecteur van de Belastingdienst/Amsterdam über die Anwendung eines Quellensteuerabzugs von Dividenden, die von der Retailbox BV (im Folgenden: Retailbox), einer Gesellschaf...

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