Entscheidungsstichwort (Thema)

Abzugsfähigkeit von Sozialversicherungsbeiträgen bei gebietsfremden Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (amtlich)

Die Artikel 56 EG und 58 EG sind dahin auszulegen, dass sie der Regelung eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, nach der ein gebietsfremder Steuerpflichtiger, der in diesem Staat ausschließlich Einkünfte aus Kapitalvermögen bezieht und der nicht im Sozialversicherungssystem dieses Mitgliedstaates versichert ist, keinen Anspruch auf die Steuerermäßigungen für Sozialversicherungen hat, während ein gebietsansässiger Steuerpflichtiger, der in dem genannten Sozialversicherungssystem versichert ist, bei der Berechnung seines zu versteuernden Einkommens in den Genuss solcher Ermäßigungen kommt, auch wenn er ausschließlich Einkünfte derselben Art bezieht und keine Sozialversicherungsbeiträge zahlt.

 

Normenkette

EGVtr Art. 56, 58

 

Beteiligte

Blanckaert

J. E. J. Blanckaert

Inspecteur van de Belastingdienst/Particulieren/Ondernemingen Buitenland te Heerlen

 

Verfahrensgang

Gerechtshof te 's-Hertogenbosch (Niederlande) (Entscheidung vom 04.12.2003)

 

Tatbestand

„Direkte Besteuerung ‐ Steuer auf Einkünfte aus Kapitalvermögen ‐ Steuerabkommen ‐ Steuerermäßigungen, die den im nationalen Sozialversicherungssystem Versicherten vorbehalten sind“

In der Rechtssache C-512/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom Gerechtshof ’s-Hertogenbosch (Niederlande) mit Entscheidung vom 4. Dezember 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 8. Dezember 2003, in dem Verfahren

J. E. J. Blanckaert

gegen

Inspecteur van de Belastingdienst/Particulieren/Ondernemingen buitenland te Heerlen

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten der Vierten Kammer K. Lenaerts (Berichterstatter) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richterin N. Colneric sowie der Richter K. Schiemann, E. Juhász und M. Ilešič,

Generalanwältin: C. Stix-Hackl,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 17. März 2005,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ von Herrn Blanckaert, vertreten durch P. J. M. de Graaf, adviseur,

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und C. ten Dam als Bevollmächtigte,

‐ der deutschen Regierung, vertreten durch A. Tiemann und W.-D. Plessing als Bevollmächtigte,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch R. Lyal und A. Weimar als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 12. Mai 2005

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Frage, ob das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegensteht, die allein den im nationalen Sozialversicherungssystem Versicherten die Möglichkeit vorbehält, Steuerermäßigungen für Sozialversicherungen in Anspruch zu nehmen, wenn die im Rahmen des genannten Systems gewährten Beitragsermäßigungen nicht vollständig mit den geschuldeten Sozialversicherungsbeiträgen verrechnet werden konnten.

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Blanckaert und dem Inspecteur van de Belastingdienst/Particulieren/ Ondernemingen buitenland te Heerlen über dessen Weigerung, Herrn Blanckaert Steuernachlässe für Sozialversicherungen zu gewähren.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Artikel 56 Absatz 1 EG lautet:

„Im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels sind alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten.“

4

Artikel 58 Absatz 1 EG sieht vor:

„Artikel 56 berührt nicht das Recht der Mitgliedstaaten,

a) die einschlägigen Vorschriften ihres Steuerrechts anzuwenden, die Steuerpflichtige mit unterschiedlichem Wohnort oder Kapitalanlageort unterschiedlich behandeln,

b) die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts … zu verhindern …“

5

Artikel 58 Absatz 3 EG bestimmt:

„Die in den Absätzen 1 und 2 genannten Maßnahmen und Verfahren dürfen weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des freien Kapital- und Zahlungsverkehrs im Sinne des Artikels 56 darstellen.“

6

Nach Artikel 13 Absatz 1 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1606/98 des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. L 209, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) unterliegen Arbeitnehmer und Selbständige den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaats.

7

Nach Artikel 13 Absatz 2 Buchstaben a und b dieser Verordnung unterliegt derjenige, der im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats als Arbeitnehmer oder Selbständiger tätig ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates auch dann, wenn er im Gebiet eines...

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