Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschalregelung für Land- und Forstwirtschaft, Pauschalausgleich-Prozentsatz von Null, Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Umsätze

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 296 bis 298 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen, dass sie auf die landwirtschaftlichen Erzeuger eine Sonderregelung anwendet, die gegen die mit dieser Richtlinie eingerichtete Regelung verstößt, weil sie die landwirtschaftlichen Erzeuger von der Entrichtung der Mehrwertsteuer befreit und die Anwendung eines Pauschalausgleich-Prozentsatzes von null mit sich bringt.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Europäische Kommission und die Portugiesische Republik tragen ihre eigenen Kosten.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 296-298

 

Beteiligte

Kommission / Portugal

Europäische Kommission

Portugiesische Republik

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 296 bis 298 ‐ Gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger ‐ Pauschalausgleich-Prozentsatz von null“

In der Rechtssache C-524/10

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 11. November 2010,

Europäische Kommission, vertreten durch M. Afonso als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes und R. Laires als Bevollmächtigte,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Richter K. Schiemann und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader und des Richters E. Jarašiūnas (Berichterstatter),

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 14. September 2011,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 22. September 2011

folgendes

Urteil

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission beim Gerichtshof die Feststellung, dass die Portugiesische Republik gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 296 bis 298 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) verstoßen hat, indem sie auf die landwirtschaftlichen Erzeuger eine Sonderregelung anwendet, die gegen die mit dieser Richtlinie eingerichtete Regelung verstößt, weil sie die landwirtschaftlichen Erzeuger von der Entrichtung der Mehrwertsteuer befreit, und indem sie einen Pauschalausgleich-Prozentsatz von null anwendet und zugleich bei den Eigenmitteln der Europäischen Union einen erheblichen Negativausgleich vornimmt, um die Erhebung der Mehrwertsteuer auszugleichen.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Die Mehrwertsteuerrichtlinie enthält in ihren Art. 295 bis 305 die Vorschriften für die gemeinsame Pauschalregelung für landwirtschaftliche Erzeuger (im Folgenden: Pauschalregelung für die Landwirtschaft). Diese Regelung fand sich bis zum 1. Januar 2007 in Art. 25 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern ‐ Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

Rz. 3

Nach Art. 295 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 der Mehrwertsteuerrichtlinie betrifft diese Regelung im Wesentlichen die Lieferungen von Gegenständen (landwirtschaftlichen Erzeugnissen) im Rahmen von land-, forst- oder fischwirtschaftlichen Betrieben und die landwirtschaftlichen Dienstleistungen, die in den Anhängen VII und VIII dieser Richtlinie aufgeführt sind und von einem landwirtschaftlichen Erzeuger erbracht werden, wobei der Ausdruck „Pauschallandwirt“ einen landwirtschaftlichen Erzeuger bezeichnet, der unter die Pauschalregelung für die Landwirtschaft fällt.

Rz. 4

Art. 295 Abs. 1 Nr. 7 der Mehrwertsteuerrichtlinie definiert die „Pauschalausgleich-Prozentsätze“ als „die Prozentsätze, die die Mitgliedstaaten gemäß den Artikeln 297, 298 und 299 festsetzen und in den in Artikel 300 genannten Fällen anwenden, damit die Pauschallandwirte den pauschalen Ausgleich der Mehrwertsteuer-Vorbelastung erlangen“. Die letztgenannte Belastung ist nach Art. 295 Abs. 1 Nr. 6 dieser Richtlinie „die Mehrwertsteuer-Gesamtbelastung der Gegenstände und Dienstleistungen, die von der Gesamtheit der der Pauschalregelung unterliegenden land-, forst- und fischwirtschaftlichen Betriebe jedes Mitgliedstaats bezogen worden sind, soweit diese Steuer bei einem der normalen Mehrwertsteuerregelung unterliegenden landwirtschaftlichen Erzeuger gemäß den Artikeln 167, 168 und 169 und 173 bis 177 abzugsfähig wäre“.

Rz. 5

Die Art. 296 bis 298 der Mehrwertsteuerrichtlinie lauten:

„Artikel 296

(1) Die Mitgliedstaaten können auf landwirtschaftliche Erzeuger, bei denen die Anwendung der normalen Mehrwertsteuerrege...

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