Entscheidungsstichwort (Thema)

Kettengeschäfte, Margenbildung, Differenzbesteuerung, Gesamtmarge, Pauschalmarge, Reiseleistung für das Unternehmen des Leistungsempfängers, Richtlinienverstoß, Deutschland

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Bundesrepublik Deutschland hat gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 73 sowie den Art. 306 bis 310 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem verstoßen, indem sie Reiseleistungen, die gegenüber Steuerpflichtigen erbracht werden, die sie für ihr Unternehmen nutzen, von der Mehrwertsteuersonderregelung für Reisebüros ausschließt und indem sie Reisebüros, soweit diese Sonderregelung auf sie anwendbar ist, gestattet, die Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage pauschal für Gruppen von Leistungen oder für die gesamten innerhalb eines Besteuerungszeitraums erbrachten Leistungen zu ermitteln.

2. Die Bundesrepublik Deutschland trägt die Kosten.

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 73, 306-310

 

Beteiligte

Kommission / Deutschland

EU-Kommission

Bundesrepublik Deutschland

 

Tatbestand

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats ‐ Steuerwesen ‐ Mehrwertsteuer ‐ Richtlinie 2006/112/EG ‐ Art. 73 ‐ Besteuerungsgrundlage ‐ Art. 306 bis 310 ‐ Sonderregelung für Reisebüros ‐ Ausschluss der Verkäufe an steuerpflichtige Unternehmen von dieser Regelung ‐ Pauschale Ermittlung der Besteuerungsgrundlage für einen bestimmten Zeitraum ‐ Unvereinbarkeit“

In der Rechtssache C-380/16

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 8. Juli 2016,

Europäische Kommission, vertreten durch M. Owsiany-Hornung und M. Wasmeier als Bevollmächtigte,

Klägerin,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch T. Henze und R. Kanitz als Bevollmächtigte,

Beklagte,

unterstützt durch

Königreich der Niederlande, vertreten durch M. K. Bulterman, C. S. Schillemans und B. Koopman als Bevollmächtigte,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. G. Fernlund (Berichterstatter) sowie der Richter A. Arabadjiev und E. Regan,

Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

Rz. 1

Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission die Feststellung, dass die Bundesrepublik Deutschland gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 73 sowie den Art. 306 bis 310 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie) verstoßen hat, indem sie Reiseleistungen, die gegenüber Steuerpflichtigen erbracht werden, die sie für ihr Unternehmen nutzen, von der Mehrwertsteuersonderregelung für Reisebüros ausschließt und indem sie Reisebüros, soweit diese Sonderregelung auf sie anwendbar ist, gestattet, die Mehrwertsteuerbemessungsgrundlage pauschal für Gruppen von Leistungen oder für die gesamten innerhalb eines Besteuerungszeitraums erbrachten Leistungen zu ermitteln.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 2

Art. 73 der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:

„Bei der Lieferung von Gegenständen und Dienstleistungen, die nicht unter die Artikel 74 bis 77 fallen, umfasst die Steuerbemessungsgrundlage alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der Lieferer oder Dienstleistungserbringer für diese Umsätze vom Erwerber oder Dienstleistungsempfänger oder einem Dritten erhält oder erhalten soll, einschließlich der unmittelbar mit dem Preis dieser Umsätze zusammenhängenden Subventionen.“

Rz. 3

Kapitel 3 („Sonderregelung für Reisebüros“) der Mehrwertsteuerrichtlinie umfasst deren Art. 306 bis 310. Art. 306 lautet:

„(1) Die Mitgliedstaaten wenden auf Umsätze von Reisebüros die Mehrwertsteuer-Sonderregelung dieses Kapitels an, soweit die Reisebüros gegenüber dem Reisenden in eigenem Namen auftreten und zur Durchführung der Reise Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nehmen.

Diese Sonderregelung gilt nicht für Reisebüros, die lediglich als Vermittler handeln und auf die zur Berechnung der Steuerbemessungsgrundlage Artikel 79 Absatz 1 Buchstabe c anzuwenden ist.

(2) Für die Zwecke dieses Kapitels gelten Reiseveranstalter als Reisebüro.“

Rz. 4

Art. 307 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht vor:

„Die zur Durchführung der Reise vom Reisebüro unter den Voraussetzungen des Artikels 306 bewirkten Umsätze gelten als eine einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden.

Die einheitliche Dienstleistung wird in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat.“

Rz. 5

Art. 308 dieser Richtlinie bestimmt:

„Für die von dem Reisebüro erbrachte einheitliche Dienstleistung gilt als Steuerbemessungsgrundlage und als Preis ohne Mehrwertsteuer im Sinne des Artikels 226 Nummer 8 die Marge des Reisebüros, das heißt die Differenz zwischen ...

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