Entscheidungsstichwort (Thema)

Einfuhrzölle, Landwirtschaft, zusätzlicher Einfuhrzoll für Zucker

 

Leitsatz (amtlich)

1. Artikel 234 Absatz 3 EG erlegt einem nationalen Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, auch dann die Verpflichtung auf, dem Gerichtshof eine Frage nach der Gültigkeit von Bestimmungen einer Verordnung vorzulegen, wenn der Gerichtshof entsprechende Bestimmungen einer anderen, vergleichbaren Verordnung bereits für ungültig erklärt hat.

2. Artikel 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1423/95 der Kommission vom 23. Juni 1995 mit Durchführungsbestimmungen für die Einfuhr von Erzeugnissen des Zuckersektors außer Melasse ist ungültig, soweit er vorsieht, dass für die Bestimmung des darin genannten Zusatzzolls grundsätzlich der repräsentative Preis im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 dieser Verordnung und nur auf Antrag des Einführers der cif-Einfuhrpreis der betreffenden Sendung herangezogen wird.

 

Normenkette

EGVtr Art. 234 Abs. 3; EGV 1423/95 Art. 4 Abs. 1-2

 

Beteiligte

Gaston Schul Douane-expediteur

Gaston Schul Douane-expediteur BV

Minister van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit

 

Verfahrensgang

College van Beroep voor het Bedrijfsleven (Niederlande) (Urteil vom 24.10.2003)

 

Tatbestand

„Artikel 234 EG ‐ Verpflichtung eines nationalen Gerichts zur Vorlage einer Vorabentscheidungsfrage ‐ Ungültigkeit einer Gemeinschaftsvorschrift ‐ Zucker ‐ Zusätzlicher Einfuhrzoll ‐ Verordnung (EG) Nr. 1423/95 ‐ Artikel 4“

In der Rechtssache C-461/03

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Artikel 234 EG, eingereicht vom College van Beroep voor het bedrijfsleven (Niederlande) mit Entscheidung vom 24. Oktober 2003, beim Gerichtshof eingegangen am 4. November 2003, in dem Verfahren

Gaston Schul Douane-expediteur BV

gegen

Minister van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, A. Rosas und J. Malenovský, der Richterin N. Colneric (Berichterstatterin), der Richter S. von Bahr und J. N. Cunha Rodrigues, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter K. Lenaerts, G. Arestis, A. Borg Barthet und M. Ile&šič,

Generalanwalt: D. Ruiz-Jarabo Colomer,

Kanzler: R. Grass,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch H. G. Sevenster und N. A. J. Bel als Bevollmächtigte,

‐ der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch T. van Rijn und M. van Beek als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 30. Juni 2005,

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung des Artikels 234 EG sowie die Gültigkeit des Artikels 4 Absätze 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 1423/95 der Kommission vom 23. Juni 1995 mit Durchführungsbestimmungen für die Einfuhr von Erzeugnissen des Zuckersektors außer Melasse (ABl. L 141, S. 16).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gaston Schul Douane-expediteur BV (im Folgenden: Gaston Schul) und dem Minister van Landbouw, Natuur en Voedselkwaliteit (im Folgenden: Landwirtschaftsminister) über die Einfuhr von Rohrzucker.

Rechtlicher Rahmen

3

Artikel 234 EG lautet:

„Der Gerichtshof entscheidet im Wege der Vorabentscheidung

a) über die Auslegung dieses Vertrags,

b) über die Gültigkeit und die Auslegung der Handlungen der Organe der Gemeinschaft und der EZB,

c) über die Auslegung der Satzungen der durch den Rat geschaffenen Einrichtungen, soweit diese Satzungen dies vorsehen.

Wird eine derartige Frage einem Gericht eines Mitgliedstaats gestellt und hält dieses Gericht eine Entscheidung darüber zum Erlass seines Urteils für erforderlich, so kann es diese Frage dem Gerichtshof zur Entscheidung vorlegen.

Wird eine derartige Frage in einem schwebenden Verfahren bei einem einzelstaatlichen Gericht gestellt, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, so ist dieses Gericht zur Anrufung des Gerichtshofes verpflichtet.“

4

Das Übereinkommen über die Landwirtschaft in Anhang 1A des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), das durch Artikel 1 Absatz 1 erster Gedankenstrich des Beschlusses 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986‐1994) (ABl. L 336, S. 1) im Namen der Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeit fallenden Bereiche genehmigt wurde, bestimmt in Artikel 5 Absätze 1 Buchstabe b und 5:

„1. Unbeschadet des Artikels II Absatz 1 Buchstabe b) des GATT 1994 kann sich jedes Mitglied … auf die Absätze 4 und 5 berufen, wenn

a) …

b) der Preis, zu dem Einfuhren eines solchen Erzeugnisses in das Zollgebiet des das Zugeständnis gewährenden Mitglieds [der WTO] gelangen, auf der Grundlage des cif-Einfuhrpreises der betreffenden Lieferung in Landeswähru...

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