Entscheidungsstichwort (Thema)

Verlustabzug, Verlustübertragung einer Betriebsstätte auf ausländische Konzerngesellschaft eines inländischen Konzerns, Konzernabzug

 

Leitsatz (amtlich)

1. Art. 43 EG ist dahin auszulegen, dass es eine Beschränkung der Freiheit eines gebietsfremden Unternehmens, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, darstellt, wenn nationale Rechtsvorschriften die Möglichkeit der Übertragung von Verlusten, die eine in diesem Mitgliedstaat ansässige Betriebsstätte einer gebietsfremden Gesellschaft erlitten hat, auf eine gebietsansässige Gesellschaft im Wege des Konzernabzugs von der Voraussetzung abhängig machen, dass die Verluste nicht für die Zwecke einer ausländischen Steuer verwendet werden können, obwohl für die Übertragung von Verlusten, die eine gebietsansässige Gesellschaft in diesem Mitgliedstaat erlitten hat, keine entsprechende Voraussetzung gilt.

2. Eine Beschränkung der Freiheit einer gebietsfremden Gesellschaft, sich in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht, kann nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden, die auf eine Verhinderung der doppelten Berücksichtigung von Verlusten, die Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten oder die Kombination dieser beiden Ziele gerichtet sind.

3. In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens muss das nationale Gericht jede Bestimmung des nationalen Rechts, die Art. 43 EG entgegensteht, unangewandt lassen.

 

Normenkette

EGVtr Art. 43

 

Beteiligte

Philips Electronics

The Commissioners for HM Revenue and Customs

Philips Electronics UK Ltd

 

Verfahrensgang

Upper Tribunal (Vereinigtes Königreich) (Urteil vom 17.12.2010; ABl. EU 2011, Nr. C 89/20)

 

Tatbestand

„Niederlassungsfreiheit ‐ Steuerrecht ‐ Körperschaftsteuer ‐ Steuerliche Entlastung ‐ Nationale Regelung, die die Übertragung im Inland entstandener Verluste einer Betriebsstätte einer gebietsfremden Gesellschaft, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, auf eine gebietsansässige Gesellschaft desselben Konzerns ausschließt“

In der Rechtssache C-18/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Upper Tribunal (Tax and Chancery Chamber) (Vereinigtes Königreich) mit Entscheidung vom 17. Dezember 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 12. Januar 2011, in dem Verfahren

The Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs

gegen

Philips Electronics UK Ltd

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Richterin A. Prechal sowie der Richter K. Schiemann, L. Bay Larsen und E. Jarašiūnas,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

‐ der Philips Electronics UK Ltd, vertreten durch D. Milne, QC, und D. Jowell, Barrister,

‐ der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Hathaway als Bevollmächtigten im Beistand von K. Bacon, Barrister,

‐ der dänischen Regierung, vertreten durch C. Vang als Bevollmächtigten,

‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch W. Mölls und R. Lyal als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 19. April 2012

folgendes

Urteil

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 43 EG und 48 EG.

Rz. 2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Philips Electronics UK Ltd (im Folgenden: Philips Electronics UK) und den Commissioners for Her Majesty’s Revenue & Customs wegen der Anwendung der Rechtsvorschriften über den Konzernabzug auf bestimmte Mitgliedgesellschaften eines Konsortiums.

Nationale Rechtsvorschriften

Rz. 3

Das Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz (Income and Corporation Taxes Act) von 1988 in seiner auf das Ausgangsverfahren anwendbaren Fassung (im Folgenden: ICTA) bestimmt in Section 402:

„(1) Gemäß diesem Kapitel und Section 492(8) kann ein Abzug von der Körperschaftsteuer für Betriebsverluste und sonstige im Rahmen der Körperschaftsteuer abzugsfähige Beträge gemäß den in den Subsections (2) und (3) aufgeführten Fällen von einer übertragenden Gesellschaft (übertragende Gesellschaft) übertragen werden und von einer anderen Gesellschaft (antragstellende Gesellschaft) auf Antrag in Form des sogenannten Konzernabzugs vorgenommen werden.

(3) Im Fall einer übertragenden Gesellschaft und einer antragstellenden Gesellschaft kann der Konzernabzug ferner geltend gemacht werden, … wenn die eine Gesellschaft Mitglied eines Konzerns ist und die andere im Besitz eines Konsortiums steht und eine weitere Gesellschaft sowohl Mitglied des Konzerns als auch des Konsortiums ist. Ein gemäß dieser Subsection gestellter Antrag wird als ‚Konsortialantrag‘ bezeichnet.

(3A) Der Konzernabzug ist nur möglich, wenn sowohl die übertragende Gesellschaft als auch die antragstellende Gesellschaft die folgende Voraussetzun...

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