Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Steuerwesen. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Befreiungen. Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden. Telefonisch erbrachte Leistungen. Leistungen, die von Krankenpflegern und medizinischen Fachangestellten erbracht werden

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 132 Abs. 1 Buchst. c

 

Beteiligte

X

X-GmbH

Finanzamt Z

 

Verfahrensgang

BFH (Beschluss vom 18.09.2018; Aktenzeichen XI R 19/15; BFH/NV 2019, 252)

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.09.2020; Aktenzeichen XI R 6/20 (XI R 19/15))

 

Tenor

1. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass telefonisch erbrachte Beratungsleistungen in Bezug auf Gesundheit und Krankheiten unter die in dieser Vorschrift vorgesehene Mehrwertsteuerbefreiung fallen können, sofern sie eine therapeutische Zielsetzung verfolgen; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

2. Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass Krankenpfleger und medizinische Fachangestellte, die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin erbringen, aufgrund der Tatsache, dass diese Leistungen telefonisch erbracht werden, zusätzlichen Anforderungen an die berufliche Qualifikation genügen, damit diese Leistungen in den Genuss der in dieser Vorschrift vorgesehenen Steuerbefreiung kommen können, sofern davon ausgegangen werden kann, dass sie ein vergleichbares Qualitätsniveau aufweisen wie die von anderen Anbietern auf diese Weise erbrachten Leistungen; dies zu prüfen ist Sache des vorlegenden Gerichts.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesfinanzhof (Deutschland) mit Entscheidung vom 18. September 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 25. Januar 2019, in dem Verfahren

X-GmbH

gegen

Finanzamt Z

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Safjan sowie der Richter L. Bay Larsen (Berichterstatter) und N. Jääskinen,

Generalanwalt: E. Tanchev,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • der X-GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt G. Burwitz,
  • der deutschen Regierung, vertreten durch S. Eisenberg als Bevollmächtigte,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch L. Lozano Palacios und L. Mantl als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der X-GmbH und dem Finanzamt Z (Deutschland) über dessen Weigerung, telefonische Beratungen zu verschiedenen Gesundheits- und Krankheitsthemen sowie telefonische Patientenbegleitprogramme für an chronischen oder lang andauernden Krankheiten leidende Patienten, die von X im Auftrag gesetzlicher Krankenkassen erbracht werden, von der Mehrwertsteuer zu befreien.

Rechtlicher Rahmen

Richtlinie 2006/112

Rz. 3

In Art. 132 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 heißt es:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

b) Krankenhausbehandlungen und ärztliche Heilbehandlungen sowie damit eng verbundene Umsätze, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder unter Bedingungen, welche mit den Bedingungen für diese Einrichtungen in sozialer Hinsicht vergleichbar sind, von Krankenanstalten, Zentren für ärztliche Heilbehandlung und Diagnostik und anderen ordnungsgemäß anerkannten Einrichtungen gleicher Art durchgeführt beziehungsweise bewirkt werden;

c) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe durchgeführt werden;

…”

Deutsches Recht

Rz. 4

§ 4 des Umsatzsteuergesetzes vom 21. Februar 2005 (BGBl. 2005 I S. 386) in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 2008 (BGBl. 2008 I S. 2794) bestimmt:

„Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden Umsätzen sind steuerfrei:

14. a) Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Physiotherapeut, Hebamme oder einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit durchgeführt werden. …”

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

Rz. 5

X ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach deutschem Recht. Im Februar 2014 erbrachte sie im Auftrag von gesetzlichen Krankenkassen telefonische Beratungsleistungen zu verschiedenen Gesundheitsthemen und führte telefonische Patientenbegleitprogramme für an chronischen oder lang andauernden Krankheiten leidende Patienten durch.

Rz. 6

Diese Leistungen wurden durch Krankenpfleger und medizinische Fachangestell...

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