Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Gemeinsames Mehrwertsteuersystem. Verkauf eines Grundstücks, auf dem sich zum Zeitpunkt der Lieferung ein Gebäude befindet. Einstufung. Begriff ‚Baugrundstück’. Begriff ‚Gebäude’. Würdigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität. Bewertung objektiver Anhaltspunkte. Absicht der Parteien

 

Normenkette

EGRL 112/2006 Art. 12 Abs. 1 Buchst. a, b, Abs. 2, Art. 135 Abs. 1 Buchst. j, k

 

Beteiligte

KPC Herning

Skatteministeriet

KPC Herning

 

Verfahrensgang

Vestre Landsret (Dänemark) (Beschluss vom 24.01.2018; ABl. EU 2018, Nr. C 134/16)

 

Tenor

Art. 12 Abs. 1 Buchst. a und b, Art. 12 Abs. 2 und 3 sowie Art. 135 Abs. 1 Buchst. j und k der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass die Lieferung eines Grundstücks, das zum Zeitpunkt dieser Lieferung mit einem Gebäude bebaut ist, nicht als Lieferung eines „Baugrundstücks” eingestuft werden kann, wenn dieser Umsatz wirtschaftlich unabhängig von anderen Leistungen ist und mit diesen keinen einheitlichen Umsatz bildet, selbst wenn die Parteien beabsichtigten, das Gebäude vollständig oder teilweise abzureißen, um Platz für ein neues Gebäude zu schaffen.

 

Tatbestand

In der Rechtssache

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vestre Landsret (Landgericht der Region West, Dänemark) mit Entscheidung vom 24. Januar 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 2. Februar 2018, in dem Verfahren

Skatteministeriet

gegen

KPC Herning

erlässt

DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Richterin C. Toader sowie der Richter A. Rosas, L. Bay Larsen und M. Safjan,

Generalanwalt: M. Bobek,

Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2019,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • von KPC Herning, vertreten durch K. Bastian und T. Frøbert, advokater,
  • der dänischen Regierung, vertreten durch J. Nymann-Lindegren und M. Wolff als Bevollmächtigte im Beistand von S. Horsbøl Jensen, advokat,
  • der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lyal und N. Gossement als Bevollmächtigte im Beistand von H. Peytz, advokat,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. März 2019

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 12 und 135 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Skatteministeriet (Finanzministerium, Dänemark) und der KPC Herning A/S, einer Gesellschaft dänischen Rechts, über die für die Lieferung einer Immobilie geschuldete Mehrwertsteuer.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Rz. 3

Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem beruht auf dem Grundsatz, dass auf Gegenstände und Dienstleistungen, ungeachtet der Zahl der Umsätze, die auf den vor der Besteuerungsstufe liegenden Produktions- und Vertriebsstufen bewirkt wurden, eine allgemeine, zum Preis der Gegenstände und Dienstleistungen genau proportionale Verbrauchsteuer anzuwenden ist.

Bei allen Umsätzen wird die Mehrwertsteuer, die nach dem auf den Gegenstand oder die Dienstleistung anwendbaren Steuersatz auf den Preis des Gegenstands oder der Dienstleistung errechnet wird, abzüglich des Mehrwertsteuerbetrags geschuldet, der die verschiedenen Kostenelemente unmittelbar belastet hat.

…”

Rz. 4

Art. 12 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1) Die Mitgliedstaaten können Personen als Steuerpflichtige betrachten, die gelegentlich eine der in Artikel 9 Absatz 1 Unterabsatz 2 genannten Tätigkeiten ausüben und insbesondere einen der folgenden Umsätze bewirken:

  1. Lieferung von Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden, wenn sie vor dem Erstbezug erfolgt;
  2. Lieferung von Baugrundstücken.

(2) Als ‚Gebäude’ im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a gilt jedes mit dem Boden fest verbundene Bauwerk.

Die Mitgliedstaaten können die Einzelheiten der Anwendung des in Absatz 1 Buchstabe a genannten Kriteriums des Erstbezugs auf Umbauten von Gebäuden und den Begriff ‚dazugehöriger Grund und Boden’ festlegen.

(3) Als ‚Baugrundstück’ im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe b gelten erschlossene oder unerschlossene Grundstücke entsprechend den Begriffsbestimmungen der Mitgliedstaaten.”

Rz. 5

Art. 135 der Richtlinie 2006/112 bestimmt:

„(1) Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

j) Lieferung von anderen Gebäuden oder Gebäudeteilen und dem dazugehörigen Grund und Boden als den in Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe a genannten;

k) Lieferung unbebauter Grundstücke mit Ausnahme von Baugrundstücken im Sinne des Artikels 12 Absatz 1 Buchstabe b;

…”

Dänisches Recht

Rz. 6

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