Entscheidungsstichwort (Thema)

Minderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage nach Uneinbringlichkeit des Entgelts auch bei Tausch und tauschähnlichen Umsätzen

 

Leitsatz (redaktionell)

Bei dem Verfahren ging es um die Frage, ob ein Mitgliedstaat nach Artikel 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie regeln darf, daß beim Tausch und bei tauschähnlichen Umsätzen die Uneinbringlichkeit des Entgelts nicht zu einer Minderung der Besteuerungsgrundlage führt. Nach dieser Richtlinienbestimmung können die Mitgliedstaaten „im Falle der vollständigen oder teilweisen Nichtbezahlung” von den Grundsätzen über die Minderung der Besteuerungsgrundlage abweichen.

Nach dem Urteil müssen Umsätze, bei denen die Gegenleistungen in Form von Sachleistungen erbracht werden, und Umsätze gegen Geldzahlungen gleichbehandelt werden. Der Gerichtshof bekräftigt, daß es für die Ermittlung der Besteuerungsgrundlage genügt, daß die Gegenleistung in einem Geldwert ausgedrückt werden kann. Da sich die Besteuerungsgrundlage immer nur aus der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung ergebe, folgert der EuGH, daß der Unternehmer für einen Ausgangsumsatz keinen höheren Mehrwertsteuerbetrag an den Fiskus abführen muß, als er der erhaltenen Gegenleistung entspricht. Deshalb muß nach dem Urteil auch die Uneinbringlichkeit von Sachleistungen als Entgelt zu einer Minderung der Besteuerungsgrundlage für die dafür erbrachte Ausgangsleistung führen. Andernfalls würden Tauschumsätze und tauschähnliche Umsätze im Vergleich zu Umsätzen gegen Geldzahlungen diskriminiert. Artikel 11 Teil C Abs. 1 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie kann nach der Entscheidung daher nur in besonderen Ausnahmefällen angewendet werden.

Das Urteil entspricht der deutschen Rechtslage, wonach in allen Fällen die Uneinbringlichkeit des Entgelts zu einer Minderung der umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage führen kann (§ 10 Abs. 1, § 17 Abs. 1 UStG).

 

Beteiligte

Goldsmiths

Goldsmiths (Jewellers) Ltd

Commissioners of Customs & Excise

 

Gründe

Urteil des Gerichtshofes

„Mehrwertsteuer – Sechste Richtlinie – Abweichungsbefugnis nach Artikel 11 Teil C Absatz 1 – Ausschluß von Tauschgeschäften von der Erstattung im Falle der Nichtbezahlung”

In der Rechtssache C-330/95

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EG-Vertrag vom Value Added Tax Tribunal, Manchester Tribunal Centre (Vereinigtes Königreich), in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Goldsmiths (Jewellers) Ltd[1]

gegen

Commissioners of Customs & Excise

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung von Artikel 11 Teil C Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABI. L 145, S.1)

erläßt

Der Gerichtshof

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten G. F. Mancini sowie der Richter C. N. Kakouris (Berichterstatter), P. J. G. Kapteyn, G. Hirsch und R. Schintgen,

Generalanwalt: A. La Pergola

Kanzler: L. Hewlett, Verwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

der Goldsmiths (Jewellers) Ltd, vertreten durch Dario Garcia, Tax partner of Ernst & Young, Chartered Accountants,

der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Stephen Braviner, Treasury Solicitor's Departement, als Bevollmächtigten, Beistand: Bartister Eleanor Sharpston,

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Enrico Traversa und Peter Oliver, Juristischer Dienst, als Bevollmächtigte,

aufgrund des Sitzungsberichts,

nach Anhörung der mündlichen Ausführungen der Goldsmiths (Jewellers) Ltd, vertreten durch Dario Garcia, der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch Assistant Treasury Solicitor John E. Collins als Bevollmächtigten, Beistand: Eleanor Sharpston, der deutschen Regierung, vertreten durch Ministerialrat Ernst Röder, Bundesministerium für Wirtschaft, als Bevollmächtigten, und der Kommission in der Sitzung vom 8. Januar 1997,

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 27. Februar 1997,

folgendes

Urteil

1

Das Value Added Tax Tribunal, Manchester Tribunal Centre, hat mit Beschluß vom 19. Dezember 1994, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Oktober 1995, gemäß Artikel 177 EG-Vertrag eine Frage nach der Auslegung von Artikel 11 Teil C Absatz 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S.1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2

Diese Frage stellt sich in einem Rechtsstreit zwischen der Goldsmiths (Jewellers) Ltd (im folgenden: Klägerin) und den im Vereinigten Königreich für die Einziehung der Mehrwertsteuer zuständigen Commissioners of Customs & Excise (im folgenden: Beklagte) über die Erstattung von von der Klägerin gezahlter Mehrwertsteuer.

3

Ausweislich der Akten tra...

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