Entscheidungsstichwort (Thema)

Umsatzsteuerbefreiung der Umsätze aus verbotenen Ausfuhren

 

Leitsatz (redaktionell)

In dem Verfahren ging es um die Frage, ob die Umsatzsteuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen zu versagen ist, wenn unter Verletzung nationaler Genehmigungsvorschriften Ausfuhren in Staaten bewirkt werden, für die in keinem EG-Mitgliedstaat aufgrund nationaler Embargovorschriften eine Genehmigung in Aussicht gestanden hätte.

Nach dem EuGH-Urteil darf die Steuerbefreiung für Ausfuhrumsätze nicht versagt werden, wenn die Ausfuhr unter Verletzung nationaler Embargovorschriften erfolgt, und zwar selbst dann nicht, wenn ein entsprechendes Ausfuhrverbot in allen EG-Mitgliedstaaten gilt.

 

Beteiligte

Lange Wilfried

Finanzamt Fürstenfeldbruck

 

Gründe

URTEIL DES GERICHTSHOFES (Sechste Kammer)

vom 2. August 1993

„Mehrwertsteuer – Sechste Richtlinie – Befreiung der Umsätze aus verbotenen Ausfuhren”

In der Rechtssache C-111/92

betreffend ein dem Gerichtshof nach Artikel 177 EWG-Vertrag vom Finanzgericht München in dem bei diesem anhängigen Rechtsstreit

Wilfried Lange

gegen

Finanzamt Fürstenfeldbruck

vorgelegtes Ersuchen um Vorabentscheidung über die Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1)

erläßt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. N. Kakouris, der Richter G. F. Mancini, F. A. Schockweiler, M. Díez de Velasco, P. J. G. Kapteyn,

Generalanwalt: F. G. Jacobs

Kanzler: D. Louterman-Hubeau, Hauptverwaltungsrätin

unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen

der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch Rechtsberater Henri Etienne als Bevollmächtigten,

aufgrund des Berichts des Berichterstatters

nach Anhörung der Schlußanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 1. April 1993

folgendes

Urteil

1 Das Finanzgericht München hat mit Beschluß vom 23. März 1992, beim Gerichtshof eingegangen am 7. April 1992, gemäß Artikel 177 EWG-Vertrag zwei Fragen nach der Auslegung der Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABI. L 145, S. 1; im folgenden: Sechste Richtlinie) zur Vorabentscheidung vorgelegt.

2 Diese Fragen stellen sich in einem Rechtsstreit zwischen Wilfried Lange, dem Betreiber der PPC Purchasing Pool Company (im folgenden: PPC) und dem Finanzamt Fürstenfeldbruck wegen dessen Entscheidung, bestimmte Ausfuhren von Computersystemen (Hard- und Software) nicht von der Mehrwertsteuer zu befreien.

3 Aus dem Vorlagebeschluß ergibt sich, daß der Kläger in den Jahren 1985 und 1986 Computersysteme ins Ausland liefern wollte und deshalb über die PPC Anträge auf Ausfuhrgenehmigung gemäß § 17 Absatz 1 der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) in der Neufassung vom 3. August 1981 (BGBl. I S. 853) sowie in der Fassung der 58. Verordnung zur Änderung der AWV vom 1. Juli 1985 (BGBl. I S. 1258 und 1313) stellte. In diesen Anträgen war als Bestimmungsland der Waren entweder Pakistan oder Israel angegeben.

4 Das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft erteilte die beantragten Ausfuhrgenehmigungen für die genannten Bestimmungsländer. Die Waren gingen jedoch nach Wien, nach Belgrad oder über Wien nach Belgrad, wurden sodann von örtlichen Frachtführern übernommen und nach Bulgarien, Ungarn sowie in die UdSSR und die Tschechoslowakei versandt.

5 Der Kläger erlangte auch die von ihm in seinen Umsatzsteuererklärungen 1985 und 1986 beantragten Befreiungen und Abzüge, nämlich die Steuerfreiheit dieser Umsätze nach § 4 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1980 (UStG) sowie den Vorsteuerabzug für die bezogenen Waren nach § 15 Absatz 1 Nr. 1 in Verbindung mit Absatz 3 Nr. 1 Buchstabe a UStG.

6 Das Finanzamt vertrat nach einer Steuerfahndungsprüfung beim Kläger die Ansicht, daß die für steuerfrei erklärten Umsätze u. a. deshalb der Umsatzsteuer zu unterwerfen seien, weil es sich um verbotene Ausfuhren in die Länder handele, in die die Waren schließlich gelangt seien. Das Finanzamt stützte sich hierbei auf § 7 Absatz 1 des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG, BGBl. I 1961 S. 481) in Verbindung mit § 5 Absatz 1 AWV, wonach die Ausfuhr der in der Ausfuhrliste (Anlage AL zur AWV) genannten Waren der Genehmigung bedarf. Nach § 33 Absatz 1 und § 34 Absatz 1 in Verbindung mit § 70 Absatz 1 Nr. 1 AWV ist der Verstoß gegen diese Genehmigungsvorschriften strafbar.

7 Der Kläger erhob gegen diese Entscheidung des Finanzamts beim Finanzgericht München Klage. Er machte geltend, für die Steuerbefreiung der Lieferungen genüge es gemäß § 4 Nr. 1 in Verbindung mit § 6 Absatz 1 Nr. 1 UStG, daß die Waren in das Außengebiet versandt worden seien. Der Verstoß gegen andere gesetzliche Vorschriften könne nicht zur Versagung der Steuerbefreiung führen, weil das UStG völlig wert...

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