Leitsatz

Der Erwerb von Haubergsanteilen unterliegt nicht der Grunderwerbsteuer.

 

Normenkette

§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 2 GrEStG, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 3, § 9 GWaldG NW

 

Sachverhalt

Der "Haubergkomplex" stellt eine Art Berechtigung an Waldgrundstücken dar. Rechtsgrundlage ist im Streitfall das "Gemeinschaftswaldgesetz im Land Nordrhein-Westfalen" (GWaldG NW). Der Anteilberechtigte ist Mitglied der zur Bewirtschaftung und Verwaltung des Gemeinschaftsvermögens gebildeten Waldgenossenschaft (§ 9 GWaldG NW) und als "Gesamthänder" am Gemeinschaftsvermögen (§ 2 Abs. 1 GWaldG NW) beteiligt. Zum gesamthänderisch gebundenen Gemeinschaftsvermögen nach § 2 Abs. 1 GWaldG NW gehören auch Grundstücke (Hauberggrundstücke). § 3 Abs. 3 GWaldG NW bestimmt, dass für die Anteile die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des BGB gelten.

Der Kläger erwarb Anteile am "Haubergkomplex" (sog. "Haubergspfennige"); für diesen Erwerb setzte das FA GrESt fest.

Nach erfolgslosem Vorverfahren gab die Vorinstanz (FG Münster, Urteil vom 22.1.2015, 8 K 3618/12 GrE, Haufe-Index 7714935, EFG 2015, 756) der Klage statt.

 

Entscheidung

Die Revision des FA hatte keinen Erfolg. Nach dem Urteil des BFH sind Haubergsanteile keine (Bruchteils-)Grundstücke i.S.d. § 2 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Das Gemeinschaftsvermögen in Gestalt der Grundstücke steht den Anteilsberechtigten als Gesamthandsgemeinschaft vielmehr zur gesamten Hand zu.

Ziel und Zweck des Haubergkomplexes ist die Erhaltung des Waldes in seinem Bestand. Der Anteilsberechtigte ist zur Förderung und Erreichung dieses Ziels angehalten. Der Zusammenschluss ist daher mit einer Personengesellschaft vergleichbar. Der Anteilsberechtigte ist ausdrücklich als "Gesamthänder" am Gemeinschaftsvermögen (§ 2 Abs. 1 GWaldG NW) beteiligt. Die Hauberggrundstücke stehen damit nicht im Bruchteilseigentum der Anteilsberechtigten.

Die Haubergsanteile sind auch nicht als Grundstücke anzusehen, weil § 3 Abs. 3 GWaldG NW regelt, dass die sich auf Grundstücke beziehenden Vorschriften des BGB gelten. Denn Rechte, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke lediglich "Anwendung" finden, unterliegen als grundstücksgleiche Rechte – bis auf die Ausnahmen in § 2 Abs. 2 GrEStG – grundsätzlich nicht der GrESt.

Die Sonderbehandlung der Erbengemeinschaft als Gesamthand rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Die rechtliche Ausgestaltung von Erbengemeinschaften und Haubergkomplexen unterscheidet sich in mehreren entscheidungserheblichen Punkten. Hauptsächlich ist die Erbengemeinschaft als Gesamthand nicht verfestigt, sondern zur Auseinandersetzung bestimmt. Der Haubergkomplex ist im Gegensatz dazu auf Dauer angelegt.

 

Hinweis

Das Besprechungsurteil, bei dem es um die Rechtsnatur eines "Haubergkomplexes" (Waldbewirtschaftung) geht, erscheint zunächst als Exotenfall. Streitentscheidend ist jedoch die Frage, ob mit dem Anteil am Haubergkomplex Bruchteilseigentum an Grundstücken erworben worden ist oder ein Anteil an einer Gesamthand. Im zweiten Fall ist nämlich – wie bei dem Beitritt zu einer Personengesellschaft – grundsätzlich kein grunderwerbsteuerlicher Tatbestand erfüllt, sieht man von den Sonderfällen qualifizierter Erwerbe ab. Diese dogmatisch ausgeklügelte, grunderwerbsteuerlich aber entscheidende Differenzierung wird in der Praxis häufig nicht hinreichend beachtet. Hinzu kommt, dass die Gesamthand ertragsteuerlich i.d.R. doch wie eine Bruchteilsgemeinschaft behandelt wird (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) und damit Unterschiede wieder eingeebnet werden. Wegen der hohen grunderwerbsteuerlichen Bedeutung soll kurz auf beide Rechtsfiguren eingegangen werden.

Bruchteilseigentum

Steht ein Recht mehreren gemeinschaftlich zu, so finden grundsätzlich die Vorschriften der "Gemeinschaft nach Bruchteilen" Anwendung, §§ 741ff. BGB. Als Konsequenz kann jeder Teilhaber über seinen Anteil selbstständig verfügen; § 747 Satz 1 BGB. Weitere Regeln zum Eigentum nach Bruchteilen finden sich in den §§ 1008ff. BGB. Der Erwerb von Grundstücksbruchteilen löst grundsätzlich Grunderwerbsteuer aus, da der Erwerber selbst eine Berechtigung erlangt.

Gesamthand

Dagegen bildet Eigentum einer Gesamthand ein Sondervermögen. An diesem Vermögen ist jeder Gesamthänder vollumfänglich berechtigt – eingeschränkt "nur" durch die Berechtigung der anderen Gesamthänder. Die Grundsätze der Gesamthand finden sich in den Vorschriften der §§ 705ff. BGB über die Personengesellschaft. Als Folge der gesamthänderischen Bindung kann nach § 719 Abs. 1 BGB ein Gesellschafter nicht über seinen Anteil am Gesellschaftsvermögen und an den einzelnen dazugehörenden Wirtschaftsgütern verfügen. Der Erwerb eines Anteils an einer grundbesitzenden Personengesellschaft löst deshalb grundsätzlich keine Grunderwerbsteuer aus; der Gesellschafter persönlich erlangt keine unmittelbare Berechtigung an den Grundstücken im Gesamthandsvermögen. Anderes gilt nach § 1 Abs. 2a, 3 und 3a GrEStG bei qualifizierten Erwerben und in Missbrauchsfällen nach § 42 AO.

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