OFD Münster, 11.2.2009, S 2172 - 152 - St 12 - 33

Es sind vermehrt Fälle aufgetreten, in denen Ärzte im Rahmen der Praxisübergabe oder -aufgabe die kassenärztliche Zulassung an den Erwerber zusammen mit der Praxis oder aber einzeln veräußert haben. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob es sich bei dem Kauf einer Zulassung um die Anschaffung eines (abnutzbaren) Wirtschaftsgutes oder um sofort abzugsfähige Betriebsausgaben handelt. Es wird gebeten, dazu folgende Auffassung zu vertreten:

Grundsätzliche Ausführungen

Seit dem Gesundheitsstrukturgesetz 1993 (vom 21.12.1992, BGBl 1993 I S. 2266) bestehen für die Niederlassung von Ärzten Zulassungsbeschränkungen. Sofern durch die kassenärztliche Vereinigung eine Überversorgung in einem Planungsbereich festgestellt wird, tritt somit grundsätzlich eine Zulassungssperre ein, wobei die frei werdenden Vertragsarztsitze erlöschen.

Nach § 103 Abs. 4 SGB V kann allerdings ein ausscheidender Arzt, der seine Praxis in einem überversorgten Planungsbereich betreibt und diese veräußern möchte, beim Zulassungsausschuss der kassenärztlichen Vereinigung einen Antrag stellen, den Vertragsarztsitz auszuschreiben, so dass für ihn eine wirtschaftliche Verwertung der Praxis oder zumindest der Zulassung möglich wird. Nach erfolgter Ausschreibung hat der Zulassungsausschuss nach seinem Ermessen einen Nachfolger auszuwählen. Dabei sind jedoch neben anderen Kriterien auch die wirtschaftlichen Interessen des ausscheidenden Vertragsarztes angemessen zu berücksichtigen.

§ 103 Abs. 4 SGB V bewirkt daher, dass der Kaufinteressent der Praxis die öffentlich-rechtliche Zulassung erhalten kann und somit u.U. auch der Praxiserwerb möglich wird, obwohl grundsätzlich eine Zulassungssperre für den Planungsbereich besteht. Ohne diese Regelung könnte ein aufgebender Arzt seine Praxis quasi nicht mehr veräußern, da ohne eine vertragsärztliche Zulassung die Grundlage für die Fortführung der Praxis durch den Erwerber entzogen wäre.

Dies bedeutet allerdings, dass der mit einer Vertragsarztzulassung verbundene wirtschaftliche Vorteil grundsätzlich verwertet werden kann und auch einer selbstständigen Bewertung zugänglich ist. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind Wirtschaftsgüter nicht nur Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechts, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und sämtliche Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die einen wesentlichen und über die Dauer des einzelnen Steuerabschnitts hinausreichenden Wert für das Unternehmen haben und gesondert bewertbar sind (vgl. Urteil des BFH vom 9.2.1978, IV R 201/74, BStBl 1978 II S. 370 , mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Weiterhin führt der BFH in seinem Urteil zu den Güterfernverkehrsgenehmigungen aus, dass ein Wirtschaftsgut selbst dann den Charakter eines firmenwertähnlichen, nicht abschreibungsfähigen Wirtschaftsgutes erlangen kann, wenn dieses nur gemeinsam mit dem Unternehmen veräußerbar ist (BFH-Urteil vom 22.1.1992, l R 43/91, BStBl 1992 II S. 529).

Damit stellt der wirtschaftliche Vorteil der Vertragsarztzulassung grundsätzlich ein selbstständiges, immaterielles Wirtschaftsgut des Anlagevermögens und nicht nur einen unselbstständigen wertbildenden Faktor dar, der nur im Rahmen des Praxiswertes in Erscheinung tritt (vgl. Urteil des Niedersächsischen FG vom 28.9.2004, 13 K 412/01, EFG 2005 S. 420). Dies zeigt insbesondere der Umstand, dass in Einzelfällen für diesen Vorteil unabhängig von einer gleichzeitigen Praxisveräußerung ein besonderes Entgelt gezahlt wird.

Das FG Rheinland-Pfalz hat in seinem Urteil vom 9.4.2008, 2 K 2649/07, EFG 2008 S. 1107 dieser Auffassung widersprochen. Nach Auffassung des Gerichtes handelt es sich bei dem wirtschaftlichen Vorteil Vertragsarztzulassung lediglich um einen Bestandteil des immateriellen Wirtschaftsgutes „Praxiswert”. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt (Az. VIII R 13/08). Soweit sich Rechtsbehelfsverfahren auf dieses Verfahren beziehen, ruhen die Verfahren nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO kraft Gesetzes.

Bewertung des wirtschaftlichen Vorteils „Vertragsarztzulassung”

Soweit der Erwerber die kassenärztliche Zulassung zusammen mit der Praxis erwirbt und für den Erwerb einen Gesamtkaufpreis zahlt, muss der Kaufpreis grundsätzlich im Verhältnis der Teilwerte der einzelnen Wirtschaftsgüter auf diese aufgeteilt werden. Der Erwerb der kassenärztlichen Zulassung führt in diesem Fall ebenfalls zum Erwerb eines selbstständigen, immateriellen Wirtschaftsgutes des Anlagevermögens, das auch getrennt vom Praxiswert auszuweisen ist.

Zwecks Bewertung des immateriellen Wirtschaftsgutes „Vertragsarztzulassung” wird gebeten, folgende Sachverhalte zu unterscheiden:

 

1. Erwerb einer bestehenden Praxis in der Absicht, die Kassenzulassung zu erlangen

Erwirbt ein Praxisnachfolger im Rahmen der Nachbesetzung eine Praxis und ergeben sich aufgrund vorliegender Vereinbarungen oder Verträge Anhaltspunkte dafür, dass der Erwerb der Kassenzulassung z.B. nur aus dem Grund ...

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