Mit dem § 218 Abs. 3 AO gibt es eine spezielle Korrekturnorm, die den Widerrufsvorbehalt nach § 120 Abs. 1 2. Alt. i. V. m. Abs. 2 Nr. 3 AO entbehrlich macht. Erreicht ein Ehegatte oder Lebenspartner mittels Einspruchs bzw. Antrags die Korrektur einer Anrechnungsverfügung oder eines Abrechnungsbescheids zu seinen Gunsten, soll diese Korrekturvorschrift es dem Finanzamt ermöglichen, eine sich danach ergebende widerstreitende Entscheidung in der Anrechnungsverfügung des anderen Ehegatten in entsprechender Anwendung der für Steuerbescheide bereits geltenden Regelung in § 174 Abs. 4 und 5 AO[1] zu dessen Lasten zu beseitigen. Dies setzt demnach dessen Beiladung bzw. Hinzuziehung zum Einspruchs- bzw. Klageverfahren des die Korrektur begehrenden Ehegatten voraus. Die Beiladung nach § 218 Abs. 3 AO Satz 2 i. V. m. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO ist bereits dann gerechtfertigt, wenn wegen eines der in § 218 Abs. 3 Satz 1 AO genannten Verfahren die Möglichkeit einer Folgeänderung besteht und das Finanzamt die Beiladung beantragt oder veranlasst hat. Weitere Voraussetzungen müssen, da die genannten Regelungen eine Rechtsfolgenverweisung auf § 360 AO bzw. § 60 FGO enthalten, nicht erfüllt sein.[2]

Die gegenläufige Korrektur einer Steueranrechnung kann auch durch einen Einspruch oder Antrag von Dritten begründet werden, um insbesondere auch Fälle der Abtretung und Pfändung zu erfassen. Somit ist unerheblich, von welcher Seite aus eine ursprüngliche Anrechnung beanstandet wird.

Geht die Änderung einer Anrechnungsverfügung oder eines Abrechnungsbescheids zugunsten eines Beteiligten nicht auf einen Antrag oder Rechtsbehelf eines der betroffenen Beteiligten, sondern auf eine Änderung von Amts wegen durch das Finanzamt zurück, ist eine Korrektur anderer Anrechnungsverfügungen oder Abrechnungsbescheide nach § 218 Abs. 3 AO nicht möglich. In diesen Fällen sind nur §§ 129 bis 131 AO anwendbar.

Bei der Anwendung von § 218 Abs. 3 AO ist Folgendes zu beachten[3]:

  • Die Gesetzesformulierung "entsprechende steuerliche Folgerungen ziehen" bedeutet, dass der zugrunde liegende einheitliche Lebenssachverhalt bei allen Beteiligten korrespondierend beurteilt wird.
  • Welches die "entsprechenden steuerlichen Folgerungen" sind, entscheidet sich dabei verbindlich im Ausgangsverfahren des Einspruchsführers bzw. Antragstellers.
  • Gegenüber allen anderen Beteiligten ist allerdings nur dann eine für sie jeweils nachteilige Korrektur möglich, wenn sie am Ausgangsverfahren beteiligt wurden und die Entscheidung im Ausgangsverfahren allen Beteiligten bekannt gegeben wurde.
  • Einwendungen gegen die Entscheidung können nur mit Anträgen oder Rechtsbehelfen gegen den im Ausgangsverfahren ergangenen Verwaltungsakt geltend gemacht werden.
  • Die Zahlungsverjährungsfrist gegenüber einem Beteiligten, der im Ausgangsverfahren nicht Rechtsbehelfsführer/Antragsteller war, wird in entsprechender Anwendung des § 174 Abs. 4 Satz 3 AO unterbrochen, wenn diese Person vor Eintritt der ihr gegenüber geltenden Zahlungsverjährung beteiligt wurde und ihr gegenüber die entsprechenden steuerlichen Folgen innerhalb eines Jahres nach Korrektur der Anrechnungsverfügung oder des Abrechnungsbescheids im Ausgangsverfahren gezogen werden.
 
Praxis-Beispiel

Fehlerhafte Anrechnung von Vorauszahlungen

Ehemann M leistet – auf der Grundlage eines gegenüber ihm und seiner Frau F ergangenen ESt-Vorauszahlungsbescheids 01 – vierteljährliche Vorauszahlungen i. H. v. insgesamt 7.000 EUR ohne Tilgungsbestimmung. Anschließend erfolgt für 01 jedoch keine Zusammen-, sondern eine Einzelveranlagung. Auf M entfallen hierbei 6.000 EUR festgesetzte Steuer, auf F 0 EUR festgesetzte Steuer (ggf. jeweils nach Anrechnung von Steuerabzugsbeträgen).

Bei der Anrechnung der Vorauszahlungen missachtet das Finanzamt die Rechtsprechung des BFH[4], wonach die Vorauszahlungen zunächst in voller Höhe verbraucht werden müssen – also M vorab 6.000 EUR – und erst der verbleibende Rest (1.000 EUR) nach Köpfen zu verteilen ist. Es ordnet daher in den jeweiligen Anrechnungsverfügungen die Vorauszahlungen von 7.000 EUR beiden je zur Hälfte zu. Dies führt bei M zu einer Nachzahlung von 2.500 EUR (statt einer Erstattung von 500 EUR) und bei F zu einer Erstattung von 3.500 EUR (statt nur von 500 EUR).

M legt gegen seine fehlerhafte Anrechnungsverfügung Einspruch ein. Das Finanzamt zieht die F gem. § 218 Abs. 3 Satz 2 AO und § 174 Abs. 4 und 5 AO zum Einspruchsverfahren des M hinzu. Das Verfahren endet mit einem Abhilfebescheid zugunsten des M, der beiden bekanntgegeben wird. F könnte hiergegen Klage erheben, wovon allerdings mangels Aussicht auf Erfolg abzuraten wäre.

Nach Abschluss des Einspruchsverfahrens des M ist der Weg für die Korrektur der Anrechnungsverfügung nach § 218 Abs. 3 Satz 1 AO gegenüber F frei. Sie muss 3.000 EUR zurückzahlen. Die Voraussetzungen nach § 130 Abs. 2 Nr. 4 AO wären hingegen nicht erfüllt. Der F war die Rechtswidrigkeit ihrer Anrechnungsverfügung weder positiv bekannt noch infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt. Es ...

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