Wurde vom Erblasser eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet, dann beerben zivilrechtlich der Vorerbe wie auch der Nacherbe den Erblasser, aber nicht gleichzeitig, sondern zeitlich nacheinander.
Erbschaftsteuerlich wird das aber nicht nachvollzogen. Hier wird zunächst der Vorerbe Erbe des Erblassers. Tritt zu einem späteren Zeitpunkt der Nacherbfall ein, wird der Nacherbe als Erbe des Vorerben behandelt (s. auch Vor- und Nacherbschaft).
Hat der Nacherbe schon vor dem Nacherbfall Zuwendungen vom Erblasser oder (bzw. und) vom Vorerben erhalten, stellt sich die Frage, mit wessen Zuwendungen der Nacherwerb zusammenzurechnen ist.
Zusammenrechnung bei Nacherbschaft
Erblasser E hat seinen Sohn S zum Vorerben eingesetzt. Nacherbin soll die Tochter T sein. Tochter T hat schon am 1.12.2015 von E eine Geldzuwendung i. H. v. 600.000 EUR erhalten. E verstirbt am 1.12.2023. Am 1.12.2019 verstirbt der Vorerbe S, sodass für T der Nacherbfall eintritt. Einen Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf Versteuerung im Verhältnis nach dem Erblasser E stellt T nicht. Das Nacherbschaftsvermögen beläuft sich auf 80.000 EUR.
Lösung
Eine Zusammenrechnung der Nacherbschaft aus 2023 mit der Zuwendung des Erblassers aus 2015 gemäß § 14 ErbStG ist nicht vorzunehmen.
Es ergibt sich folgende Steuerberechnung:
a) für die Zuwendung am 1.12.2015
Geldzuwendung | 600.000 EUR |
abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG | ./. 400.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb | 200.000 EUR |
Schenkungsteuer (Steuersatz 11 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) | 22.000 EUR |
b) für den Nacherbfall am 1.12.2023
Nacherbschaftsvermögen | 80.000 EUR |
abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG | ./. 20.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb | 60.000 EUR |
Schenkungsteuer (Steuersatz 15 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) | 9.000 EUR |
In 2023 gilt für die Tochter T beim steuerpflichtigen Erwerb i. H. v. 60.000 EUR ein Steuersatz von 15 %.
Zusammenrechnung bei Nacherbschaft bei Antrag auf Versteuerung im Verhältnis nach dem Erblasser
Erblasser E hat seinen Sohn S zum Vorerben eingesetzt. Nacherbin soll die Tochter T sein. Tochter T hat schon am 1.12.2015 von E eine Geldzuwendung erhalten. E verstirbt am 1.12.2017. Am 1.12.2023 verstirbt der Vorerbe S, sodass für T der Nacherbfall eintritt. T stellt den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG, d. h. auf Versteuerung im Verhältnis nach dem Erblasser E.
Lösung
Hier tritt das gleiche Ergebnis wie im Beispiel 1 ein, d. h., eine Zusammenrechnung nach § 14 ErbStG muss nicht erfolgen.[1]
Zusammenrechnung bei Nacherbschaft
Erblasser E hat seinen Sohn S zum Vorerben eingesetzt. Nacherbin soll die Tochter T sein. Tochter T hat am 1.12.2015 von ihrem Bruder S (Vorerbe) eine Geldzuwendung i. H. v. 5.000.000 EUR erhalten. E verstirbt am 1.12.2016. Am 1.12.2023 verstirbt der Vorerbe S, sodass für T der Nacherbfall eintritt. Einen Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG auf Versteuerung im Verhältnis nach dem Erblasser E stellt T nicht. Das Nacherbschaftsvermögen hat einen gemeinen Wert i. H. v. 3.000.000 EUR.
Lösung
Es ergibt sich folgende Steuerberechnung:
a) für die Zuwendung am 1.12.2015
Geldzuwendung | 5.000.000 EUR |
abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG | ./. 20.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb | 4.980.000 EUR |
Schenkungsteuer (Steuersatz 30 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) | 1.494.000 EUR |
b) für den Nacherbfall am 1.12.2023
Nacherbschaftsvermögen | 3.000.000 EUR |
Geldzuwendung aus 2015 | 5.000.000 EUR |
Gesamterwerb | 8.000.000 EUR |
abzüglich persönlicher Freibetrag nach § 16 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG | ./. 20.000 EUR |
steuerpflichtiger Erwerb | 7.980.000 EUR |
Schenkungsteuer (Steuersatz 50 %, § 19 Abs. 1 ErbStG) | 3.990.000 EUR |
abzüglich Steuer auf den Vorerwerb (fiktive und tatsächliche Steuer sind identisch) |
./. 1.494.000 EUR |
endgültig festzusetzende Erbschaftsteuer | 2.496.000 EUR |
Bei der T sind der Vorerwerb von dem Bruder S aus dem Kalenderjahr 2015 und der Erwerb durch den Nacherbfall im Kalenderjahr 2023 gem. § 14 ErbStG zusammenzurechnen.
Zusammenrechnung bei Nacherbschaft bei Antrag auf Versteuerung im Verhältnis nach dem Erblasser
Erblasser E hat seinen Sohn S zum Vorerben eingesetzt. Nacherbin soll die Tochter T sein. Tochter T hat am 1.12.2014 von ihrem Bruder S (Vorerbe) eine Geldzuwendung erhalten. E verstirbt am 1.12.2017. Am 1.12.2023 verstirbt der Vorerbe S, sodass für T der Nacherbfall eintritt. T stellt den Antrag nach § 6 Abs. 2 Satz 2 ErbStG, d. h. auf Versteuerung im Verhältnis nach dem Erblasser E.
Lösung
Ebenso wie im Beispiel 3 sind der Vorerwerb von dem Bruder S aus dem Kalenderjahr 2014 und der Erwerb durch den Nacherbfall im Kalenderjahr 2023 gemäß § 14 ErbStG zusammenzurechnen. Der Antrag auf Versteuerung nach dem Erblasser führt zu keinem anderen Ergebnis.
BFH-Urteil zur Vor- und Nacherbschaft im Zusammenhang mit § 14 ErbStG
Mit Urteil v. 3.11.2010[2] hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass wenn ein Vorerbe auf den Nacherben mit Rücksicht auf die angeordnete Nacherbschaft Vermögen überträgt, es ...
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