Leitsatz

Erlässt die Familienkasse auf einen zeitlich nicht konkretisierten Kindergeldantrag einen Festsetzungsbescheid, der eine Befristung bis zu einem in der Zukunft liegenden Monat enthält, so hat sie damit über den Antrag in vollem Umfang und nicht nur zum Teil entschieden.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und Nr. 3 EStG, § 120 AO

 

Sachverhalt

Die Klägerin, Mutter von zwei Söhnen, war bis Juli 2003 im öffentlichen Dienst beschäftigt und schied danach aus dem Staatsdienst aus. Der öffentliche Arbeitgeber hatte 2001 Kindergeld für beide Söhne festgesetzt. Die Festsetzung war für den jüngeren Sohn bis September 2004 und für den älteren Sohn bis Juni 2003 befristet.

Im Dezember 2010 beanspruchte die Klägerin ohne Erfolg Kindergeld für die Zeit ab August 2003. Das Niedersächsische FG (Urteil vom 3.7.2012, 8 K 121/11, EFG 2013, 793) wies die Klage ab.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

 

Hinweis

1. Es erstaunt, dass offenbar bestehende Kindergeldansprüche mitunter jahrelang nicht geltend gemacht werden. War das Kindergeld festgesetzt, aber (z.B. wegen eines Wechsels der zuständigen Familienkasse, Umzugs- oder Kontowechsels) nicht ausgezahlt worden, so tritt nach fünf Jahren Zahlungsverjährung ein (§§ 228 AO ff.). Fehlt es – wie hier – bereits an der Festsetzung, so droht Festsetzungsverjährung.

2. Die Festsetzungsfrist läuft nicht ab, bevor über einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag entschieden wird (§ 171 Abs. 3 AO). Darauf stützte sich die Klägerin im vorliegenden Fall: Da sie eine unbe­fristete Kindergeldfestsetzung beantragt habe, die Familienkasse das Kindergeld aber nur befristet festgesetzt habe, sei ihr Antrag nicht vollständig beschieden worden.

3. Der BFH hat anders entschieden:

Der Anspruch auf Kindergeld entsteht Monat für Monat mit der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes. Deshalb liegt eine Befristung der Festsetzung künftiger, noch nicht entstandener Ansprüche im Ermessen der Familienkasse (§ 120 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, § 5 AO). Wenn die Familienkasse auf einen zeitlich unbestimmten, in die Zukunft reichenden Kindergeldantrag hin einen Festsetzungsbescheid mit einer in der Zukunft liegenden Befristung erlässt, liegt darin regelmäßig eine vollumfänglich begünstigende Entscheidung.

Wenn ein Kindergeldberechtigter erkennbar eine in die Zukunft reichende Festsetzung ohne zeitliche Begrenzung beantragt haben sollte, wäre eine nachfolgende befristete Kindergeldfestsetzung keine Teilentscheidung, bei der die Familienkasse nach Ablauf der Befristung von sich aus eine weitere Entscheidung über den ursprünglichen Antrag treffen müsste, sondern eine Teilablehnung, die allerdings nicht für den der Befristung nachfolgenden Zeitraum gilt. Wird gegen die Befristung kein Einspruch eingelegt, so erwächst die befristete Festsetzung in Bestandskraft. Um Kindergeld für Zeiten nach der Befristung zu erhalten, muss ein neuer Antrag gestellt werden. Der ursprüngliche Kindergeldantrag entfaltet für den über die Befristung hinausreichenden Zeitraum keine Wirkung mehr, er ist "verbraucht".

4. Man bedenke: Wenn die Auffassung der Klägerin richtig wäre, könnten dereinst die 90-jährigen Eltern eines lebenslang behinderten 70-jährigen Kindes Kindergeld für die vergangenen 45 Jahre beanspruchen, wenn die Familienkasse die Festsetzung bis zum 25. Lebensjahr des Kindes befristet hatte. Die Annahme eines unbefristeten, in die Zukunft reichenden Kindergeldantrags würde zudem nicht nur bei einer nachfolgenden Befristung fortwirkende Rechtswirkungen entfalten, sondern auch dann, wenn die Familienkasse auf einen solchen Antrag hin das Kindergeld zunächst ohne zeitliche Beschränkung festsetzt und die Festsetzung in der Folgezeit ab einem späteren Monat wieder aufhebt. Auch in diesem Fall hätte ein Kindergeldberechtigter dann geltend machen können, die Familienkasse habe auf seinen unbefristeten Antrag hin nur bis zum Monat der Bekanntgabe des Aufhebungsbescheids bzw. der Einspruchsentscheidung, aber nicht vollständig entschieden. Ein solches Verständnis würde zu einem "unendlichen" Verwaltungsverfahren führen, weil die Familienkasse nach Ablauf der Befristung oder nach einer Aufhebung der Festsetzung immer wieder von sich aus die Anspruchsvoraussetzungen prüfen müsste.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.6.2014 – III R 6/13

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