OFD Hannover, 20.10.2004, S 0256 - 2 - StO 321/S 0256 - 1 - StH 461

 

1. Geltungsbereich

Die Vorschrift des § 107 AO gilt in allen Abschnitten des Besteuerungsverfahrens einschließlich des Außenprüfungs-, Vollstreckungs- und Einspruchsverfahrens, nicht jedoch im Straf- und Bußgeldverfahren.

Werden im Strafverfahren wegen einer Steuerstraftat oder im Bußgeldverfahren wegen einer Steuerordnungswidrigkeit Zeugen gehört oder Sachverständige bestellt, so ist nicht § 107 AO, sondern § 405 AO in Verbindung mit dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz – JVEG –, eingeführt durch Art. 2 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5.5.2004 (BGBl 2004 I S. 718) anzuwenden.

Eine besondere gesetzliche Regelung besteht für Dritte, die aufgrund eines Beweiszwecken dienenden Ersuchens der Strafverfolgungsbehörde Gegenstände herausgeben (§ 95 Abs. 1 StPO) oder die Pflicht zur Herausgabe entsprechend einer Anheimgabe der Strafverfolgungsbehörde abwenden, Auskunft erteilen oder die Überwachung und Aufzeichnung des Fernmeldeverkehrs ermöglichen (§ 100b Abs. 3 StPO). Diese Dritten haben nach § 23 Abs. 1 JVEG einen Anspruch darauf, wie Zeugen entschädigt zu werden.

Die nachfolgenden Regelungen haben nur die Entschädigung oder Vergütung von Auskunftspflichtigen und Sachverständigen nach § 107 AO zum Gegenstand.

 

2. Anspruchsberechtigte

2.1 Die von einem FA durch Verwaltungsakt zu Beweiszwecken herangezogenen Auskunftspflichtigen (§ 93 AO; nicht § 93a AO) und Sachverständigen (§ 96 AO) erhalten auf Antrag eine Entschädigung oder Vergütung in entsprechender Anwendung des JVEG, soweit sie weder Beteiligte (§§ 78, 359 AO) sind noch die Auskunftspflicht für einen Beteiligten zu erfüllen haben (wie z.B. die gesetzlichen Vertreter und die Verfügungsberechtigten i.S.d. §§ 34, 35 AO sowie die Bevollmächtigten und die von Amts wegen bestellten Vertreter der Beteiligten i.S.d. §§ 80, 81 AO). Die nach der AO zur Auskunft Verpflichteten sind wie Zeugen i.S.d. JVEG zu behandeln.

Auskunftspflichtige können natürliche Personen, juristische Personen und Personengesellschaften sein. Entschädigungsberechtigt sind auch Geldinstitute (BFH-Urteil vom 23.12.1980, BStBl 1981 II S. 392).

Freiwillig – d.h. ohne Aufforderung durch das FA – vorgelegte Auskünfte und Sachverständigengutachten führen jedoch selbst dann nicht zu einer Entschädigung, wenn das FA sie verwertet (AEAO zu § 107, Nr. 1).

Nimmt ein Auskunftspflichtiger oder ein Sachverständiger eine Hilfsperson (z.B. Steuerberater) in Anspruch, so hat diese keinen eigenen Entschädigungs- oder Vergütungsanspruch (Nds. FG vom 28.10.1988, XII 649/87, n.v.).

2.2 Die dem Drittschuldner durch die Erfüllung seiner Erklärungspflicht gem. § 316 AO entstehenden Kosten sind nicht nach § 107 AO zu erstatten. Dies gilt auch, wenn das FA die Angaben, in der Drittschuldnererklärung für unzureichend hält und deshalb um Ergänzung oder Vervollständigung nachsucht. Eine Entschädigung kommt aber in Betracht, wenn das FA den Drittschuldner um Auskünfte ersucht, die über dessen Erklärungspflicht gem. § 316 AO hinausgehen.

 

3. Anspruch auf Entschädigung oder Vergütung

Die Entscheidung darüber, ob ein Auskunftspflichtiger oder Sachverständiger eine Entschädigung oder Vergütung erhält, liegt nicht im Ermessen des Finanzamts. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen besteht ein Rechtsanspruch auf die Entschädigung (BFH-Urteil vom 23.12.1980, BStBl 1981 II S. 392).

 

4. Fürsorgepflicht des Finanzamts

Handelt es sich bei dem Auskunftspflichtigen um eine Person, bei der Kenntnisse über den Entschädigungsanspruch nicht vorausgesetzt werden können und ist ersichtlich, dass dem Verpflichteten durch die Auskunftserteilung nicht nur ganz unbedeutende Kosten erwachsen werden, ist er auf die Entschädigungsmöglichkeit gem. § 107 AO und das Erfordernis der Antragstellung hinzuweisen (vgl. § 89 AO).

 

5. Umfang der Entschädigung oder Vergütung

 

5.1 Auskunftspflichtige

5.1.1 Erledigt der Auskunftspflichtige das Auskunftsersuchen selbst oder beauftragt er Personen, die in seinem Betrieb beschäftigt sind, so werden der Verdienstausfall bzw. die Personalkosten mit dem Betrag erstattet, den ein Zeuge nach § 22 JVEG beanspruchen könnte; der Aufwand darf daher höchstens mit 17,00 EUR je Stunde angesetzt werden. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob dem Antragsteller durch Zahlung von Überstundenvergütungen oder Neueinstellungen ein Mehraufwand entstanden ist (Beschluss des OLG Frankfurt am Main vom 5.9.1990, 2 Ws 152/90, n.v.). Die Entschädigung wird für höchstens zehn Stunden je Tag gewährt (§ 19 Abs. 2 JVEG).

5.1.2 Werden keine Fachkräfte beschäftigt und kann im Übrigen auch kein Verdienstausfall nachgewiesen werden, kann nach § 20 JVEG lediglich eine Entschädigung für Zeitversäumnis von 3,00 EUR je Stunde gewährt werden. Dies gilt nicht, soweit durch die Auskunftserteilung ersichtlich kein Nachteil entstanden ist.

5.1.3 Auskunftspflichtige, die nicht erwerbstätig sind und einen Haushalt für mehrere Personen führen, erhalten eine Entschädigung vo...

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