Leitsatz

1. Verpflichtet sich der Arbeitgeber vertraglich, im Zusammenhang mit der Auflösung des Arbeitsverhältnisses mehrere Zahlungen an den Arbeitnehmer zu leisten, ist eine einheitliche Entschädigung nur anzunehmen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte dafür festgestellt sind, dass sämtliche Teilzahlungen "als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen" i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gewährt worden sind (Bestätigung des Senatsurteils vom 11. Juli 2017, IX R 28/16, BFHE 259, 272, BStBl II 2018, 86).

2. Ist neben einer Entschädigung für entgangene Einnahmen, die sich ihrer Höhe nach im Rahmen des Üblichen bewegt, eine weitere Zahlung vereinbart, die bei zusammenfassender Betrachtung den Rahmen des Üblichen in besonderem Maße überschreiten würde, spricht dies indiziell dafür, dass es sich insoweit nicht um eine Entschädigung für entgangene Einnahmen handelt. Von einer Überschreitung in besonderem Maß ist auszugehen, wenn durch die zweite Teilzahlung die Höhe der Gesamtzahlung verdoppelt wird.

 

Normenkette

§ 24 Nr. 1 Buchst. a, § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG, § 670, § 779 BGB, § 119 Nr. 6 FGO, § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO

 

Sachverhalt

Der Kläger erlitt bei einem Raubüberfall schwere Verletzungen und trug eine Behinderung davon. Er ging von einer Auftragstat aus, die er seinem beruflichen Umfeld zurechnete. Deshalb verlangte er von seinem Arbeitgeber Schadenersatz wegen der bei dem Überfall erlittenen Gesundheitsschäden. Insofern habe sich sein berufliches Risiko realisiert (analog § 670 BGB). Der Arbeitgeber lehnte den Anspruch ab, verpflichtete sich jedoch bei einvernehmlicher vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses, neben einer Entschädigung für entgangene Einnahmen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine weitere Zahlung in gleicher Höhe zu leisten. Damit sollten sämtliche Ansprüche des Klägers abgegolten sein. Das FA ging von einer einheitlichen Abfindung aus. Ein Schadenersatzan­spruch des Klägers habe nicht bestanden.

 

Entscheidung

Das FG hat die Klage abgewiesen (FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 22.1.2016, 4 K 2086/14, Haufe-Index 10077733, EFG 2017, 36). Auf die Revision des Klägers hat der BFH das FG-Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Das FG ist zu Unrecht auf der Grundlage einer formellen Einheitsbetrachtung von der Steuerbarkeit der weiteren Zahlung ausgegangen. Es wird nun den für den Kläger maßgeblichen "üblichen Tarif" feststellen müssen, um im ersten Schritt indiziell beurteilen zu können, ob ein Scheingeschäft vorliegt. Die vom Kläger vorgetragenen und vom FG nicht hinreichend berücksichtigten Umstände des Falles sprechen eher dafür, dass der Arbeitgeber vergleichsweise auf den vom Kläger geltend gemachten Anspruch gezahlt hat. Die weitere Zahlung wäre dann steuerfrei.

 

Hinweis

Sind im Zusammenhang mit der Auflösung oder Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mehrere Leistungen als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen vereinbart, sind diese nach der Rechtsprechung des BFH einheitlich zu beurteilen. Im Besprechungsfall und in anderen Fällen hat der BFH diese Formel nun konkretisiert und eingeschränkt.

1. Das Problem: Aus der Sicht des Steuerpflichtigen besteht ein Anreiz, zumindest einen Teil der Abfindung steuerfrei zu vereinnahmen und die Abfindungsvereinbarung entsprechend zu "gestalten". Dem folgen die Finanzämter in der Regel nicht, sondern behandeln sämtliche Zahlungen als Entschädigung – nicht selten gegen den eindeutigen Wortlaut der Verträge. Das mag für einen Teil der Fälle im Ergebnis vertretbar sein; es gibt aber auch Fälle, in denen der Arbeitgeber nicht nur entgangene Einnahmen ausgleichen, sondern daneben z.B. Schadenersatz leisten möchte. Deshalb ist eine ernsthafte Prüfung nötig. Dafür hat der BFH nun Grundsätze entwickelt. Sie betreffen zwar vordergründig nur die Tatsachenwürdigung im entschiedenen Fall. Der BFH hat jedoch eine Indizregel formuliert, die allgemein zu beachten ist. Insofern hat die Entscheidung über den Fall hinausreichende Bedeutung.

2. Bevor die Einheitsbetrachtung greift, muss für jede einzelne Zahlung festgestellt sein, dass sie als Ersatz für entgehende Einnahmen geleistet wird. Die Verklammerung ersetzt nicht die Feststellung der Tatbestandsmäßigkeit; eine Zahlung, die nicht als Entschädigung für entgangene Einnahmen geleistet worden (und für sich genommen nicht steuerbar) ist, wird nicht aufgrund einer (formellen) Einheitsbetrachtung steuerbar.

a) Die Feststellung ist Tatfrage und obliegt grundsätzlich dem FG. Das schließt die Auslegung von Verträgen ein. FA und FG dürfen sich aber nicht einfach unter Berufung auf die wirtschaftliche Betrachtungsweise oder eine formelle Einheitsbetrachtung über den klaren Wortlaut der Vereinbarung hinwegsetzen, sondern müssen die Vereinbarung teilweise als Scheingeschäft (§ 41 Abs. 1 Satz 2 AO) entlarven.

b) Dazu muss zunächst festgestellt werden, in welchem Umfang (unter den Umständen des Falles) mit einer Abfindung bei vorzeitiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu rechnen war. Diese sog....

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