Leitsatz

Der als Haftungsschuldner nach § 69 AO in Anspruch genommene Geschäftsführer einer GmbH ist nach § 166 AO im Haftungsverfahren mit Einwendungen gegen unanfechtbar festgesetzte Steuern der von ihm vertretenen und in Insolvenz geratenen GmbH ausgeschlossen, wenn er im Prüfungstermin nicht anwesend gewesen ist und deshalb gegen die Forderungen keinen Widerspruch erhoben hat, so dass diese zur Tabelle festgestellt worden sind.

 

Normenkette

§ 69, § 34 Abs. 1, § 191 Abs. 1, § 166 AO, § 176, § 178, § 201 Abs. 2 InsO

 

Sachverhalt

Der Kläger war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Nachdem er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH beantragt hatte, ordnete das Amtsgericht die vorläufige Insolvenzverwaltung mit Zustimmungsvorbehalt (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO) an und bestellte einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Später wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.

Wegen rückständiger Lohnsteuern, die auf den von der GmbH abgegebenen Lohnsteueranmeldungen beruhten, erließ das FA gegen den Kläger einen Haftungsbescheid. Einspruch und Klage, mit denen der Kläger geltend machte, in den betreffenden Monaten seien keine Löhne mehr gezahlt worden, hatten keinen Erfolg.

Das FG urteilte, der Kläger sei zu Recht als Haftungsschuldner in Anspruch genommen worden, weil er gegen seine steuerlichen Pflichten als Vertreter der GmbH grob fahrlässig verstoßen habe. Den Inhalt der bestandskräftigen Lohnsteueranmeldungen müsse er nach § 166 AO gegen sich gelten lassen, weil er ­während des Insolvenzverfahrens im Prüfungstermin nicht anwesend gewesen sei und keinen Widerspruch gegen die Lohnsteuerfestsetzungen erhoben habe (FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 4.7.2016, 2 K 203/16, Haufe-Index 9695530, EFG 2016, 1766).

 

Entscheidung

Aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen hat der BFH die Revision des Klägers zurückgewiesen.

 

Hinweis

Das Urteil betrifft den immer wieder vorkommenden Fall eines GmbH-Geschäftsführers, der in wirtschaftlich prekärer Situation die fällige Lohnsteuer nicht an das FA abführt und später für diese in Haftung genommen wird, nachdem die GmbH in Insolvenz geraten ist.

Der BFH bekräftigt seine Rechtsprechung, dass der GmbH-Geschäftsführer durch Nichtabführung der fälligen Lohnsteuer seine steuerlichen Pflichten (§ 34 Abs. 1 AO) verletzt und dass diese Pflichtverletzung sein Verschulden i.S.d. § 69 AO indiziert.

Hieran ändert die Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters mit Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative InsO), jedoch ohne ­Anordnung eines allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative InsO, § 22 Abs. 2 InsO), nichts, weil in diesem Fall die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis bei der GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer, verbleibt. Der vorläufige Insolvenzverwalter ­mit allgemeinem Zustimmungsvorbehalt ist kein Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 1 AO; der Geschäftsführer der GmbH wird durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht aus seiner Pflichtenstellung verdrängt.

Da der Geschäftsführer im Streitfall für zwar angemeldete, jedoch nicht abgeführte Lohnsteuer in Haftung genommen worden war, stellte sich zusätzlich die Frage, ob er im Haftungsverfahren mit Erfolg geltend machen konnte, es sei Lohnsteuer in nicht zutreffender Höhe angemeldet worden, weil in den betreffenden Monaten keine Löhne mehr gezahlt worden seien, oder ob er gemäß § 166 AO mit diesem Einwand ausgeschlossen war.

Nach § 166 AO hat eine gegenüber dem Steuerpflichtigen unanfechtbar festgesetzte Steuer gegen sich gelten zu lassen, wer in der Lage gewesen wäre, den gegen den Steuerpflichtigen erlassenen Bescheid als dessen Vertreter, Bevollmächtigter oder kraft eigenen Rechts anzufechten. Allerdings tritt die Drittwirkung der unanfechtbaren Steuerfestsetzung nach ständiger Rechtsprechung nicht ein, wenn der als Haftungsschuldner in Anspruch genommene GmbH-Geschäftsführer nicht während der gesamten Dauer der Rechtsmittelfrist berechtigt war, als Vertreter der GmbH zu handeln oder wenn er seine Vertretungsbefugnis zu einem Zeitpunkt verloren hat, zu dem er nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO einen Antrag auf Änderung oder Aufhebung der unter Vorbehalt festgesetzten Steuer hätte stellen können.

Wird über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet, verliert der Geschäftsführer zwar seine Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis und damit die Möglichkeit, die Steuerfestsetzung gegen die GmbH anzufechten oder einen Antrag nach § 164 Abs. 2 Satz 2 AO zu stellen. Allerdings bleibt ihm im Insolvenzverfahren die Möglichkeit, gemäß § 176, § 178 InsO im Prüfungstermin der Feststellung der Forderung zur Tabelle zu widersprechen. Wer diese Möglichkeit nicht wahrnimmt, muss sich nach der vorliegenden BFH-Entscheidung die Drittwirkung der Steuerfestsetzung entgegenhalten lassen. Das bloße schriftliche Bestreiten der Forderung außerhalb des Prüfungstermins hindert die Drittwirkung nicht.

Wenn auch nach § 178 Abs. 1 Satz 1 InsO ein Widers...

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